Mannheim. Paukenschlag bei der Vertreterversammlung: Die VR Bank Rhein Neckar schafft die Negativzinsen für ihre Kunden in der Region ab 1. Juni komplett ab. Das teilte Vorstandschef Michael Düpmann am Montagabend in Mannheim mit. „Die Verwahrentgelte haben wir aufgrund der langanhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) einführen müssen. Dabei haben wir unseren Mitgliedern und Kunden versprochen, diese nur so lange zu erheben, bis der Zinsmarkt sich wieder normalisiert“, sagte Düpmann.
Er leitet seit Jahresbeginn die Geschäfte und sieht nun den Zeitpunkt für einen Schnitt bei den Negativzinsen gekommen, weil die Europäische Zentralbank bereits angedeutet hat, dass sie die Nullzins-Ära beenden will. Am Montag signalisierte EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Zinsanhebung im Juli.
Gestiegene Kosten abgewälzt
Die Genossenschaftsbank erhebt nach eigenen Angaben bereits seit August 2017 für Firmenkunden Negativzinsen, die im Bankenjargon als Verwahrentgelte bezeichnet werden. Der Strafzins beläuft sich auf 0,5 Prozent pro Jahr. Im Privatkundenbereich gilt dies für neue Mitglieder seit April 2020. Bei den Bestandskunden wird das Verwahrentgelt nur für Gelder berechnet, die oberhalb bestimmter Freibeträge liegen.
Auch bei anderen Volks- und Raiffeisenbanken sowie vielen Sparkassen und Volksbanken sind Negativzinsen inzwischen üblich. Die Institute haben mit der Einführung der Negativzinsen einen Teil ihrer gestiegenen Kosten auf ihre Kunden abgewälzt. Die EZB verlangt für Geld, das die Geschäftsbanken bei ihr parken, einen Einlagensatz von 0,5 Prozent jährlich. Weil der Leitzins der EZB seit Jahren bei null Prozent liegt, sind die Zinserträge der Banken kleiner geworden.
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Die Banken wussten aber von Anfang an, dass die Nummer mit den Negativzinsen juristisch umstritten ist. Verbraucherschützer bezweifeln generell, dass Banken überhaupt ein „Verwahrentgelt“ verlangen dürfen. Begründung: Wer ein Girokonto eröffnet und dort sein Geld parken darf, zahlt für diesen Service Kontoführungsgebühren. Zusätzliche Gebühren dürfe eine Bank aber nur für Sonderleistungen erheben, die der Kunde freiwillig in Anspruch nehmen könne oder nicht. Die Geldverwahrung sei aber keine Sonderleistung. Mittlerweile haben die Landgerichte Berlin und Düsseldorf die Verwahrentgelte gekippt, das Landgericht Leipzig bestätigte dagegen die Praxis der Banken. Es gibt also keine einheitliche Rechtssprechung, außerdem fehlen bisher Urteile der höheren Instanzen.
Andere Banken werden wohl nachziehen
Die frohe Botschaft auf der Vertreterversammlung der VR Bank Rhein-Neckar kam zwar für die Teilnehmer überraschend, gleichwohl deutete sich eine Wende bei den Negativzinsen bereits an. So hat zum Beispiel die niederländische ING – eine der größten Banken für Privatkunden – vor knapp zwei Wochen Fakten geschaffen. Sie will ab 1. Juli das Verwahrentgelt für die meisten ihrer neun Millionen Kundinnen und Kunden abschaffen.
Sie geht aber anders vor als die VR Bank Rhein-Neckar. Die ING kippt nämlich nicht die Negativzinsen ganz, sondern erhöht die Freibeträge für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten drastisch von derzeit 50 000 auf 500 000 Euro. Damit entfalle der Strafzins in Höhe von 0,5 Prozent für 99,9 Prozent der Kunden, hieß es. Es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Wochen und Monaten weitere Institute diesen Beispielen folgen werden und entweder wie die VR Bank den Strafzins komplett streichen oder die Freibeträge drastisch erhöhen werden.
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