Mannheim. An Ideen fehlt es Franz Dieter nicht. In der Notizen-App seines Handys hat er eine ganze Liste gesammelt – von verrückt bis vielversprechend, wie er sagt. Als er vom „thincubator“ erfuhr, öffnete er die Liste, um sich für eine Start-up-Idee zu entscheiden. Zwei Wochen lang feilte er dort daran. Jetzt möchte er in ein paar Monaten seine App SnackCheck auf den Markt bringen.
So oder so ähnlich dürften auch die ersten Gründungsschritte von Spotify, Airbnb, Klarna oder Zoom ausgesehen haben. Doch Start-ups, die später so durch die Decke gehen wie diese vier, bleiben die Ausnahme. Die studentische Initiative „thinc!“ an der Universität Mannheim möchte daran anknüpfen und den Gründergeist unter Studenten wecken. Gelingen soll das mit Formaten wie dem „thincubator“, ein zweiwöchiges Programm für 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Im April dieses Jahres waren es rund 25 Teams. Im Mannheimer Technologiezentrum Mafinex durften sie ihre Gründungsidee vorantreiben – mit Workshops, Eins-zu-Eins-Mentoring und sogar Schlafmöglichkeiten vor Ort.
Unter Zeitdruck und mit viel Euphorie
Für Franz Dieter, der in Mannheim im zweiten Semester BWL studiert, war das die Initialzündung, um seine spontane Idee in ein konkretes Start-up zu verwandeln – allerdings auch unter Zeitdruck und mit viel Euphorie. „Mit der App SnackCheck kannst du sehen, ob ein Produkt gesund oder ungesund ist und erhältst bessere Alternativen vorgeschlagen“, erläutert der 20-Jährige. Per Scan des Barcodes soll man perspektivisch jedes Produkt hinsichtlich Gesundheit und Nachhaltigkeit analysieren können. Oder man lädt ein Foto des Kassenbons hoch. Dann bewertet die App den Einkauf und gibt Optimierungsvorschläge. Ergänzt wird die App um einen KI-Chat, „wie ein Ernährungsberater, der dir Tipps und Tricks geben kann“, meint Franz Dieter.
Karriereträume für BWler
- „thinc!“ ist eine der größten studentischen Initiativen an der Universität Mannheim und beschäftigt sich mit Unternehmertum und Start-ups. Gegründet wurde sie 2004, heute zählt sie knapp 2.000 Mitglieder . Mehr als 100 Studenten engagieren sich aktiv.
- Sie organisieren Veranstaltungen wie Foundertalks, Netzwerk-Events unter Studenten oder Reisen zu Start-up-Hotspots . In WhatsApp-Gruppen oder auf dem Initiativenmarkt der Universität, immer zum Semesterstart, machen sie viel auf sich aufmerksam, um möglichst viele Erstsemester-Studenten anzulocken und zu begeistern.
- Die Initiative hat bereits erfolgreiche Gründer hervorgebracht: Etwa Mannheim-Alumni Lukas Zörner, der 2024 das Berliner FinTech-Start-up Integral mitgründete . Integral bietet eine KI-gestützte Plattform für Buchhaltung, Steuern und Lohnabrechnung. Anderes Beispiel ist Dominik Campanella mit Concular , das digitale Lösungen für die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bietet und damit nachhaltiges Bauen fördert. harm
Für Franz Dieter war der „thincubator“ auch Probe aufs Exempel: Taugt seine Idee wirklich, was muss er noch überdenken? Was zeigt eine Marktanalyse? Gibt es vergleichbare Apps? Was gilt rechtlich?
Erster Platz geht an Nachhaltigkeitssoftware UPB
Am letzten Tag des „thincubator“ durften sich die acht ausgereiftesten Ideen einer fünfköpfigen Jury präsentieren. Franz Dieter gewann den zweiten Platz, und damit die Möglichkeit zu einem Eins-zu-Eins-Pitch mit dem Hightech Gründerfonds (HTGF) aus Nordrhein-Westfalen. Der erste Platz des „thincubator“-Pitchday ging an Jeremias Wirtz mit UPB, seiner Nachhaltigkeitssoftware für Hotels. Er darf nach Barcelona reisen und sich dort potenziellen Geldgebern vorstellen – in der Hoffnung, dass sie in sein Start-up investieren möchten.
Jeremias Wirtz hat einen Bachelor-Abschluss in Hotelmanagement aus der Schweiz, stammt aber aus der Region. Der 22-Jährige hat durch Zufall vom „thincubator“ in Mannheim erfahren und sich anschließend beworben: „Es ist ja nicht schlecht, Gründer zu treffen, die in einer ähnlichen Region und in ähnlichem Alter sind, denn viele gibt es nicht“, sagt er.
Er habe viel über gutes Marketing gelernt, berichtet Wirtz, gleichzeitig stellt er klar: „Ich bin etwas weiter als die anderen, würde ich jetzt einmal sagen, weil viele nur mit einer Idee reingekommen sind.“ Nicht alle Workshops also hätten ihm geholfen. Etwa gab es einen dazu, wie man eine GmbH gründet, Wirtz hat längst eine. Nichtsdestotrotz meint er: „Es hilft total, sich mit den Leuten dort zu vernetzen. So viel Zeit mit denen zu verbringen, das spornt einen auch an.“ Franz Dieter – einer von denen, der erst mit einer Idee kam – ergänzt: „Alle haben Drive, alle haben Bock auf die Sache, alle wollen gründen.“
Rund 20 Prozent der Start-ups scheitern im ersten Jahr
Ein Wunsch, den viele junge Menschen teilen. Auch Franz Dieter: „Ich wollte schon immer etwas Eigenes haben, mein eigener Chef sein“, sagt er. „Einfach wegen der Freiheit, von überall aus arbeiten zu können, wann ich will.“ Trotz der Teilnahme am „thincubator“ ist er kein aktives Mitglied bei „thinc!“, dafür bei Q-Summit, der anderen Initiative für Gründungsinteressierte an der Universität. Der Q-Summit, gegründet 2016, hat sich zu Deutschlands führender studentischer Start-up-Konferenz entwickelt und wird jährlich im Mannheimer Schloss ausgerichtet – so erst vergangene Woche.
Wirtz und Dieter wissen: Ein Start-up in ein profitables Unternehmen zu verwandeln, ist alles andere als leicht. Rund 20 Prozent der Start-ups scheitern im ersten Jahr, weitere 50 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre – wegen unzureichender Finanzierung, schlechtem Management, Marktproblemen. Franz Dieter glaubt, einen „unique selling point“ von SnackCheck gefunden zu haben: Besser als der Nutri-Score, allumfassender im Vergleich zu bestehenden Apps wie CodeCheck.
Das größte Learning aus dem „thincubator“? „Die Sachen nicht zu viel überdenken, einfach mal machen und schauen, was rauskommt.“ Das Schlimmste, was passieren kann, sei, dass man scheitert, doch auch daraus lasse sich in kurzer Zeit sehr viel lernen. „Wenn du noch keinen Kredit aufgenommen hast, hast du kein Geld verloren und kannst die nächste Idee angehen“, meint Wirtz. Erfolgreiche Gründer gründeten oft mehrfach – das wissen auch Investoren, die gerne in erfahrene Gründer investieren. Selbst, wenn diese ihre erste Idee noch gegen die Wand gefahren haben. In der nächsten Zeit steht für Wirtz und Dieter also auch Durchhaltevermögen an.
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