Ernährungsminister Cem Özdemir von den Grünen ist sauer. „Die besonders zuckerhaltigen Getränke sind sogar noch zuckriger geworden“, erklärt er. Dabei bezieht er sich auf eine Untersuchung des Karlsruher Max Rubner-Instituts. Özdemir würde lieber heute als morgen eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Produkte einführen - in diesem Fall auf Softdrinks. Aber: Das ist alles andere als einfach. Folgend wichtige Fragen und Antworten dazu.
Steht Özdemir mit seiner Forderung alleine da?
Keineswegs. Neun Bundesländer verlangen von der Bundesregierung, eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu prüfen - darunter Rheinland-Pfalz. Das geht aus einem Vermerk im Protokoll der jüngsten Verbraucherschutzministerkonferenz hervor. Die Bundesländer sind der Ansicht: Die freiwillige Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie in Sachen Zuckerreduzierung habe nichts gebracht.
Wo stößt die Idee einer Steuer auf Softdrinks auf Widerstand?
Innerhalb der Ampel-Regierung ist es die FDP, die „Nein“ sagt. FDP-Vize Wolfgang Kubicki zum Beispiel spricht von „politischem Aktionismus“. Die Lebensmittelindustrie hält von einer Steuer auf Softdrinks erst recht nichts.
Was spricht aus Sicht der Wissenschaft für eine Steuer auf Softdrinks?
Eine Zuckersteuer auf Erfrischungsgetränke würde einer Studie zufolge in Deutschland allein innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte bis zu 16 Milliarden Euro sparen und zahlreiche Erkrankungen vermeiden. So bilanziert es das Forschungsteam von der Technischen Universität München und der britischen Universität Liverpool im Fachmagazin „PLOS Medicine“. Bei allen simulierten Varianten würde weniger Zucker konsumiert, Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wären seltener. So ließen sich volkswirtschaftliche Kosten senken und das Gesundheitssystem entlasten, heißt es. „Die Einführung einer Zuckersteuer ist wirksam und der deutschen Politik zu empfehlen“, erklärt Michael Stolpe vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. „Auch Werbeverbote, wie sie für Zigaretten eingeführt wurden, könnten helfen, den Zuckerkonsum zu verringern.“ Ergänzend sei eine verstärkte Aufklärung unter Kindern und Jugendlichen sinnvoll.
Wie argumentiert der Mannheimer Südzucker-Konzern?
„Eine Zuckersteuer hilft nicht gegen Übergewicht. Denn nicht ein einzelner Nährstoff entscheidet, sondern die Kalorien“, sagt ein Sprecher des Mannheimer Unternehmens und bekräftigt: Für die Annahme, dass eine Zuckersteuer Übergewicht und Folgeerkrankungen verhindere, gebe es keine Belege. „Natürlich können Strafsteuern Verbraucher in ihrem Verhalten beeinflussen, aber wenn der Verbraucher dafür auf andere Produkte mit dem gleichen Kaloriengehalt ausweicht, ist damit nichts gewonnen.“ Entscheidend seien eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung.
Und was sagen Getränkehersteller wie Capri-Sun dazu?
Capri-Sun mit Stammwerk in Eppelheim bei Heidelberg will sich zu einer Zuckersteuer erst äußern, wenn sie unter Dach und Fach ist - und es einen entsprechenden Gesetzestext gibt. Grundsätzlich teilt die Pressestelle mit: „Wir verzeichnen seit längerer Zeit eine erhöhte Nachfrage nach Varianten mit weniger Zucker und tragen dieser Entwicklung Rechnung.“ So sei der Zuckeranteil in klassischen Fruchtsaftgetränken schrittweise reduziert worden: In den vergangenen Jahren insgesamt um etwa 25 Prozent, ohne den Zucker durch künstliche Alternativen zu ersetzen. Seit Anfang dieses Jahres gebe es zudem die „nahezu zuckerfreie“ Capri-Sun Zero in der Sorte Multivitamin zu kaufen.
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Wie ist es in anderen Ländern mit einer Zuckersteuer geregelt?
Selbst die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Sondersteuer von mindestens 20 Prozent auf zuckerhaltige Getränke, um den Zuckerkonsum der Bevölkerung mitsamt seiner gesundheitlichen Folgen zu reduzieren. Viele Länder haben bereits steuerliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Konsums von zuckerhaltigen Getränken oder Lebensmitteln eingeführt. In Großbritannien gibt es seit 2018 eine Zuckersteuer auf Getränke. Dort haben viele Hersteller den Zuckergehalt ihrer Getränke gesenkt. Über die Folgen gibt es unterschiedlichen Ansichten. Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen sei laut Studien seitdem gesunken und bei Getränken seien 45 Millionen Kilo Zucker eingespart worden, berichtet der „NDR“. Südzucker allerdings verweist auf eine aktuelle Studie von „The Food Foundation“. Demnach hat sich die Gesundheit englischer Kinder aufgrund von Armut und schlechter Ernährung dramatisch verschlechtert. Auch in Ländern wie Mexiko, die bereits eine solche Steuer eingeführt hätten, sinke das Übergewicht in der Bevölkerung nicht, fügt der Südzucker-Sprecher hinzu.
Wie geht es jetzt weiter?
Ernährungsminister Cem Özdemir geht davon aus, dass es in dieser Legislaturperiode keine Steuer auf Erfrischungsgetränke geben wird. Man versuche jetzt zumindest, speziell an Kinder gerichtete Werbung für Produkte, die deutlich zu viel Zucker, Salz und Fett haben, zu reduzieren und dafür eine gesetzliche Regelung vorzubereiten.
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