Heidelberg. Rechtfertigen fragwürdige Äußerungen auf dem privaten Facebook-Account über das eigene Unternehmen sowie Kollegen eine außerordentliche Kündigung? Sind die Posts überhaupt als Beleidigung zu werten oder doch von der Meinungsfreiheit gedeckt? Mit diesen Fragen wird sich am 18. Oktober die Mannheimer Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg befassen.
Der Heidelberger Dosierpumpenhersteller Prominent hatte gegen ein vorausgegangenes Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim Berufung eingelegt. Das Unternehmen hatte, wie bereits mehrfach berichtet, einem Betriebsratsmitglied im vergangenen Frühjahr fristlos gekündigt, nachdem sich dieses auf Facebook abschätzig über die Firma und andere Betriebsräte geäußert hatte.
Korrektur
Bedauerlicherweise ist uns in der Berichterstattung über ein Betriebsratsmitglied des Heidelberger Dosierpumpenherstellers Prominent ein Fehler unterlaufen. Tatsächlich hat der Betroffene seinen Arbeitgeber in keinem Fall als „Menschenschinder“ und „Ausbeuter“ bezeichnet. Fälschlicherweise wurde hier aus einem ganz anderen Urteil zitiert.
Das Arbeitsgericht Mannheim hatte mit Urteil vom 1. Dezember vergangenen Jahres entschieden, dass der Betriebsrat zwar beleidigende Äußerungen auf seinem privaten Facebook-Account getätigt hat, dies aber keinesfalls eine fristlose Kündigung rechtfertige. Der Arbeitgeber, die Prominent, hat gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingelegt; die Verhandlung findet am 18. Oktober statt.
Wie der Betroffene sagt, bedauert er seinen damaligen Kommentar sehr. Er habe aber niemanden persönlich beleidigen wollen, es handele sich hier um ein Missverständnis. Im Übrigen habe er den Post bereits nach wenigen Stunden wieder gelöscht. Die Vorkommnisse belasteten ihn nach wie vor stark. sba
Unseren Bericht haben wir entsprechend geändert.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2022 hatte das Arbeitsgericht entschieden, dass eine fristlose Kündigung „an sich“ zwar berechtigt sei. Denn Begriffe wie „verachtenswerte Kreaturen und Schergen“, mit denen der betroffene Betriebsrat neu gewählte Mitglieder des Gremiums auf Facebook tituliert hatte, seien von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt.
Gleichwohl wäre es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen, den Mann bis zu einer ordentlichen Kündigung weiterzubeschäftigen. Die Posts seien nach wenigen Stunden wieder gelöscht worden, offenbar handele es sich um eine spontane, unüberlegte Reaktion. Das Unternehmen hätte dem Mann also allenfalls ordentlich kündigen können – was aber nicht möglich sei, da der Betroffene Mitglied im Betriebsrat ist.
Eskalation bei Betriebsratswahl
Der Streit zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat schwelt schon länger. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Andreas Dulger, hatte im Vorfeld der Betriebsratswahl im März in einem internen Schreiben seinem Ärger über das amtierende Gremium Luft gemacht und mehr oder weniger offen zu einer Gegenkandidatur aufgerufen. Tatsächlich kam es dann zu einer Neuzusammensetzung des Betriebsrates – einer außerordentlichen Kündigung des Betroffenen, der seinen Platz in dem Gremium behalten hatte, wollte jedoch zunächst keiner zustimmen. Erst nach mehreren Umbesetzungen stimmte der Betriebsrat der Kündigung zu.
Pikant sind die Vorgänge bei der Prominent vor allem deshalb, weil ausgerechnet der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger Mitglied der Geschäftsführung ist. Allerdings ist nicht er, sondern sein Bruder Andreas Dulger fürs operative Geschäft zuständig.
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