Mannheim. Seit Sonntag läuft der Bahnverkehr auf der Riedbahn wieder nach Fahrplan, und bis auf kleinere Störungen auch weitgehend stabil. Nach dem Abschluss der fünfmonatigen Generalsanierung stellen sich trotzdem einige Fragen, die im Folgenden beantwortet werden.
Haben Deutsche Bahn (DB) und die beteiligten Baufirmen alle Arbeiten abgeschlossen?
Nein, jedoch zum größten Teil. Einige Abnahmeprüfungen sind noch nicht erledigt, daher können erst ab dem 24. Dezember auch die S8 und S9 (Mannheim-Biblis-Groß-Rohrheim) sowie die RB-Linien 62 (Biblis-Worms) und 63 (Bensheim-Worms) wieder fahren. Auch das neue europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS ist noch nicht installiert und wird in Stufen in Betrieb genommen. Die Bahn rechnet damit bis zum zweiten Quartal 2025.
Die Bahn hatte versprochen, dass die Strecke nun zehn Jahre baufrei ist. Jetzt ist nur von fünf Jahren die Rede. Warum?
Dazu sagt die Bahn, dass sie die Generalsanierungen grundsätzlich so plane, dass die betroffenen Abschnitte nach Abschluss der Arbeiten für mindestens fünf Jahre frei von Baustellen sind. „Langfristig ist eine Baufreiheit von 10 Jahren angestrebt“, sagte eine Sprecherin. Die DB halte die Strecke im Rahmen vorgeschriebener Intervalle instand. „In der Regel können die notwendigen Arbeiten nachts erledigt werden, so dass es für Reisende und Güterverkehrsunternehmen nur zu minimalen Einschränkungen kommt“, kündigt die Sprecherin an.
Beim Lesen der Unterlagen fällt auch auf, dass die Bahn im Juli ankündigte, 117 Kilometer Gleise und 140 km Fahrdraht auf der Riedbahn zu tauschen. Das Ergebnis sind 111 km Gleise und 130 km Fahrdraht. Wie kommen die Abweichungen zustande?
Auf Nachfrage erklärt die Bahn, dass sich die Angabe auf die in diesem Jahr erneuerten Gleiskilometer beziehe. „Bei den übrigen rund sechs Kilometern handelt es sich um Abstellgleise, u.a. in Mannheim-Waldhof, die erst 2025 fertiggestellt werden. Die alten Gleise dort wurden zurückgebaut, da die Fläche vorübergehend für die Lagerung von Baumaterial während der Generalsanierung benötigt wurde.“ Bei der Oberleitung seien mehr Leistungen umgesetzt worden als vorab geplant. Ursprünglich sollte der Fahrdraht auf 140 km getauscht werden. „Nun wurde auf 131 km der Fahrdraht getauscht, sowie auf weiteren 9 km sogar die komplette Oberleitung (mit Masten, Kettenwerk und Fahrdraht) vollständig erneuert.“
Während der Riedbahn-Sperrung bot die Bahn einen Ersatzverkehr an. Was passiert jetzt mit den 150 Bussen und rund 400 Fahrern?
„Unsere Busfahrerinnen und -fahrer gehen nach ihrer Zeit an der Riedbahn ganz individuelle Wege. Erfreulicherweise fahren viele weiter für die DB in Ersatz- und Linienverkehren in ganz Deutschland“, sagte die Bahnsprecherin. Manche wechselten aber auch zu anderen Busunternehmen oder kehrten in ihre Heimatländer zurück. Alle 150 Busse seien weiterhin nahtlos bei DB-Busgesellschaften im Einsatz. Rund 50 Fahrzeuge sollen ab Januar im Linien- und Ersatzverkehr in Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden.
Naumann: „Alle anderen Lösungen noch schlechter“
Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, ist mit dem Verlauf der Riedbahn-Generalsanierung zufrieden. „Es gibt ein bisschen Schatten, aber insgesamt würde ich von einem guten Ergebnis sprechen“, sagte er dieser Redaktion. „Dass die S-Bahn noch nicht fährt, ist absolut bedauerlich.“ Das zeige, dass man aus den Prozessen noch lernen müsse.
Trotzdem sieht Naumann keine Alternative zur Generalsanierung: „Alles andere hätte deutlich länger gedauert und zu wechselnden Einschränkungen geführt.“ Es sei für Pendler und Vielfahrer deutlich schwieriger, wenn sich monatlich die Abfahrtszeiten der Züge änderten. „Und ein Schienenersatzverkehr oder eine Vollsperrung von 14 Tagen ließen sich dann trotzdem nicht vermeiden.“
Die Infrastruktur der Bahn sei rund 40 Jahre vernachlässigt worden: „Dadurch ist sie marode und muss instandgesetzt werden“, so Naumann. Es sei gut, dass das nun auf diese Weise versucht worden sei. „Wenn jemand ernsthaft eine bessere Idee hätte, soll er es sagen – es gibt sie nicht. Alle anderen Lösungen sind noch schlechter.“
Dass am Sonntag zum Teil die Sicherungstechnik ausgefallen ist, komme vor. „Als man den Verkehr per Hebelstellwerk gesteuert hat, konnte keine Elektronik ausfallen, dafür aber der Fahrdienstleiter. Die elektronische Steuerung ist sicherer, einfacher und schneller.“
Für künftige Projekte fordert Naumann: „Schaut Euch an, was nicht geklappt hat und lernt daraus, was man besser machen kann. Ehrlichkeit ist hier sehr wichtig.“ Außerdem wünscht er sich mehr Resilienz, und dass die Politik die Notwendigkeit dafür erkenne. „Einige Überholgleise und Weichen braucht man nicht jede Woche. Aber sie müssen da sein, wenn ein Zug liegenbleibt.“ Das sei vergleichbar mit Standstreifen auf Autobahnen: „Beides ist wichtig für die Resilienz.“ cs
Ist davon auszugehen, dass die Nutzer des Ersatzverkehrs jetzt wieder mit der Bahn fahren?
Davon ist der Bahn-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz überzeugt. „Die Prognose hat sich als falsch erwiesen“, sagte er zu Befürchtungen, die Bahn könne die Kunden wegen der monatelangen Sperrung dauerhaft verlieren. „Wir haben etwa 90 Prozent der Menschen in den Ersatzverkehren gehalten.“ Er sei sicher, dass mit der Wiedereröffnung der Riedbahn sie alle und vielleicht noch mehr für den Öffentlichen Verkehr begeistert werden könnten.
Wurde der Kostenrahmen von 1,3 Milliarden Euro eingehalten?
Weil einige Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, ist es für ein Fazit zu früh. „Bis die üblichen Nachtragsverhandlungen durchgeführt sind und alle Endabrechnungen vorliegen, wird es voraussichtlich bis Mitte kommenden Jahres dauern“, sagte die Bahnsprecherin.
Welche Generalsanierungen sind als nächstes geplant?
2025 stehen die Strecken Hamburg-Berlin und Emmerich-Oberhausen an. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt Riedbahn fließen in die Planung der weiteren Generalsanierungen ein. Die Voraussetzungen sind jedoch anders. So ist die Strecke Hamburg-Berlin etwa viermal so lang wie die Riedbahn, es gibt keine parallel verlaufenden Routen für Umleitungen. Außerdem verlaufen nicht alle der 40 weiteren Strecken, die bis 2030 generalsaniert werden sollen, in solch flachen Regionen wie die Riedbahn.
Wann ist die nächste Generalsanierung in der Region?
2027 soll die Main-Neckar-Bahn zwischen Frankfurt und Heidelberg an der Reihe sein. Es ist davon auszugehen, dass das Umleitungs- und Ersatzkonzept ähnlich ist wie bei der Riedbahn oder bei der Sperrung der Main-Neckar-Bahn im Februar, als sie als Vorbereitung auf die Riedbahn-Sanierung ertüchtigt wurde. 2028 soll die West-Ost-Verbindung Forbach-Ludwigshafen generalsaniert werden. Hier muss weiträumiger umgeleitet werden: Parallelstrecken wie bei der Riedbahn sind dort nicht vorhanden. 2029 will die Bahn die Strecke Mannheim-Karlsruhe angehen.
Welche Projekte stehen in der Region noch an?
Die Blicke richten sich jetzt auf die geplante Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim. Dafür kündigt die Bahn nun weitere Erkundungsbohrungen an, die eine Fachfirma ab sofort bis Ende 2025 zwischen Mannheim-Waldhof und Einhausen durchführt. Die erhobenen Daten aus den bis zu 60 Meter tiefen Bohrungen seien für die Planung des in diesem Abschnitt geplanten Tunnels entscheidend. Der Tunnel soll im bergmännischen Verfahren gebaut werden. Um die Bohrarbeiten abzusichern, suchen Fachleute zuvor das Gelände nach Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg ab, teilt die Bahn mit. Während der Arbeiten seien geringfügige Lärmbelastungen möglich.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nach der Generalsanierung der Riedbahn bleiben die Probleme vorerst