Mannheim. Drei ehemaligen Geschäftspartnern legt die Anklage zur Last, trickreich die Täuschungsklaviatur von Marktmanipulation eingesetzt zu haben, um mit kanadischen Billigaktien, sogenannten Pennystocks, satte Millionengewinne zu erzielen. Der im letztjährigen Februar am Mannheimer Landgericht gestartete Mammutprozess ist in die Zielgerade eingebogen. Am 73. Verhandlungstag, diesem Freitag, sollen die Schlussvorträge gehalten werden.
Anwälte gegen Auftakt der Plädoyers zu später Stunde
Das Wort dazu hat die Vorsitzende der vierten Großen Wirtschaftsstrafkammer bereits am Sitzungstag davor dem Staatsanwalt erteilt – um 18.20 Uhr nach Schließen der Beweisaufnahme. Allerdings protestierte die Riege der Verteidigung ziemlich aufgebracht gegen einen Auftakt der Plädoyers zu später Stunde. Ihr Einwand: Nach zehn Stunden im Gerichtssaal – wenngleich von Beratungspausen „durchlöchert“ – könnten die vorgetragenen Argumente des Strafverfolgers nicht mehr in gebotener Konzentration verfolgt werden.
Eigentlich hatte die Kammer bereits im Dezember signalisiert, das Beweisprogramm weitgehend abgearbeitet zu haben. Was die fünf Verteidiger und eine Kollegin der drei Angeklagten völlig anders sahen. Sie beantragten weitere Zeugen wie Gutachter und rügten eine geladene Sachverständige wegen Inkompetenz. Zu der oftmals gereizten Stimmung in dem hochstreitig geführten Verfahren dürfte beigetragen haben, dass zwei der Finanzakteure seit ihrer Festnahme im Februar 2022 in Untersuchungshaft sitzen und sämtliche Anträge auf Haftverschonung scheiterten. Einer der drei Männer ist in Mallorca verhaftet worden.
Ramschaktien wurden intern als „Schrott und Pisse“ eingestuft
Aufgrund geständiger Aussagen ist jener Angeklagte, der als letzter zu der Gruppe kam und im Wesentlichen für das Umsetzen beschönigender Werbung zuständig war, vor Prozessbeginn aus der U-Haft entlassen worden. Er hat beispielsweise berichtet, dass es so etwas wie ein Ampel-Bewertungssystem gab. Zur Kategorie Rot hätten Ramschaktien gehört, die intern als „Schrott und Pisse“ eingestuft wurden, aber zwecks Kurssteigerung über Börsenbriefe, spezielle Foren und angebliche Einzelmeinungen mit Nicknames wie „Nutella“ vollmundig angepriesen wurden – insbesondere für kanadische Unternehmen, die für Aktien Risikokapital suchten.
Nachdem der Staatsanwalt bereits zum Verlesen der Anklage eine Stunde und 50 Minuten benötigte, ist davon auszugehen, dass sein Schlussvortrag mindestens ebenso lange dauern dürfte. Außerdem plädieren am Freitag nicht nur die Verteidiger der drei Angeklagten – auch jene beiden Anwälte, die jeweils die Interessen jener beiden in das Verfahren einbezogenen Firmen vertreten, über welche Geschäfte samt Einnahmen abgewickelt wurden. Bei einer Verurteilung könnte Vermögen abgeschöpft werden. Ohnehin hat die Staatsanwaltschaft bereits Immobilien und hochwertige Fahrzeuge der Angeklagten beschlagnahmt.
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