"Wir arbeiten für die schönste Zielgruppe der Welt“, heißt es auf der Internetseite der Haba-Gruppe aus Bad Rodach (Bayern). Holzspielzeug, Bekleidung der Marke Jako-o, Bildungsangebote wie die Digitalwerkstatt - vor allem jungen Eltern kennen Haba. Das Familienunternehmen, nach eigenen Angaben mit 347 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2021, widmet sich ganz dem Geschäft um Kinder. Genau dieses scheint nicht mehr rund zu laufen. Harte Einschnitte sind geplant. Welche Rolle spielt dabei ein neues SAP-System?
Haba sieht sich wegen Umsatzeinbrüchen gezwungen, „einen massiven Personalabbau vorzunehmen“, heißt es aus Bad Rodach. Eine Zahl wird nicht genannt. Lokale Medien berichten von rund 600 der insgesamt 1800 Arbeitsplätze, die in Gefahr sind. Die IG Metall Coburg kritisiert laut Bayerischem Rundfunk „strategisch falsche Entscheidungen“ des ehemaligen Geschäftsführers, der das Unternehmen im Frühjahr überraschend verlassen hatte.
Das Endkundengeschäft läuft bei Haba stark über eigene Online-Shops - die in jüngster Zeit nicht so funktioniert haben, wie sie sollten. Hier kommt der Walldorfer Softwarekonzern SAP ins Spiel. Denn Haba hat zum Jahreswechsel 2022/2023 SAP eingeführt, um mehrere IT-Systeme der verschiedenen Marken auf einer Plattform zusammenzuführen.
Nach Recherchen der „Wirtschaftswoche“ ließ Haba den Versand von Anfang Januar bis Anfang Februar wieder Stück für Stück anlaufen. In einem Dokument räumte das Unternehmen in der Anfangszeit mögliche Probleme ein: unter anderem Einschränkungen der Lieferkapazitäten und „Herausforderungen in der prozessualen Verarbeitung“, wodurch es zu Teillieferungen kommen könnte.
„Einige Baustellen“
Wer sich durch Bewertungsportale im Internet klickt, findet etwa bei Trustpilot just im Frühjahr Beschwerden unzufriedener Kunden. „Selten so einen schlechten Service erlebt wie hier. Ein Artikel wurde als verfügbar angezeigt und wurde jedes Mal beim Bezahlvorgang wieder aus dem Warenkorb genommen“, schreibt eine Kundin. Das Jako-o-Team antwortet unter dem Eintrag: „Auf Grund unserer umfangreichen Systemumstellung haben wir noch mit einigen Baustellen zu kämpfen.“ Man arbeite mit Hochdruck daran, diese zu beseitigen.
Jemand anderes kommentiert auf dem Bewertungsportal: „Mitte Januar bestellt, nach Nachfrage Mitte Februar wurde ich auf nächste Woche vertröstet. Anfang März fragte ich nochmals nach. . . nun kam das Paket endlich an. Wir sind selbstständig, eine solch katastrophale und lange Systemumstellung könnten wir uns nicht leisten. . .“
Dass das neue System nicht reibungslos anläuft, räumt ein SAP-Sprecher indirekt ein. „Wir stehen derzeit im engen Austausch sowohl mit dem Kunden als auch den verantwortlichen Implementierungspartnern, um das laufende Projekt schnellstmöglich erfolgreich abzuschließen.“
Eine IT-Umstellung ist sehr komplex. Einfach nur das neue System schnell aufzuspielen, funktioniert nicht - denn es muss für jeden Kunden individuell angepasst werden. Zuletzt hatte es 2020 ein SAP-Chaos beim Margarine-Konzern Upfield gegeben. Händler monierten nach der System-Umstellung ausbleibende Lieferungen und fehlerhafte Rechnungen. Beim Süßwarenhersteller Haribo hakte es 2018 in der Produktion von Goldbären. Und beim Discounter Lidl floppte in den Jahren davor ein SAP-Großprojekt bei der Warenwirtschaft.
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