Energie

MVV-Chef Georg Müller: Fernwärme ist spätestens 2030 grün

In der Quadratestadt werden besonders viele Wohnungen mit Fernwärme geheizt. Doch noch stammen 60 Prozent der Wärme aus den Steinkohleblöcken des Grosskraftwerks Mannheim (GKM). Das soll sich künftig ändern

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Dieter Keller
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MVV-Vorstandsvorsitzender Georg Müller deutet an, dass das Fernwärmenetz in Mannheim lediglich um einzelne Straßen erweitert werden soll. © MvV Energie AG

Mannheim. „Spätestens 2030 ist die Fernwärme in Mannheim grün“, verspricht der Vorstandsvorsitzende der MVV Energie AG, Georg Müller. „Das können wir sicherstellen“, sagte der Chef des regionalen Energieversorgers beim Club der Kurpfälzischen Wirtschaftsjournalisten. In der Quadratestadt werden besonders viele Wohnungen mit Fernwärme geheizt. Doch noch stammen 60 Prozent der Wärme aus den Steinkohleblöcken des Grosskraftwerks Mannheim (GKM). Einen erheblichen Teil steuert daneben die Abfallverbrennung auf der Friesenheimer Insel bei. Im Herbst soll die erste Flusswärmepumpe in Betrieb gehen.

Lange Zeit war das GKM die einzige Wärmequelle. Schon in sieben Jahren soll von dort gar nichts mehr kommen, eine große Herausforderung. Künftig wird die Wärme dezentral erzeugt, etwa aus Biomasse und dem Verbrennen von Klärschlamm.

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Auch Geothermie ist für Müller interessant, also Erdwärme, wobei er sich bewusst ist, dass dies kein einfaches Thema ist. „Wir können nicht von vornherein sagen, dass wir in einer der interessantesten Regionen Deutschlands daran vorbeigehen“, forderte er Technologieoffenheit. Bürger sorgen sich unter anderem wegen der Folgen der Erschütterungen, die die Bohrungen verursachen können. „Wir müssen mit den Sorgen der Menschen vernünftig umgehen.“ Ganz ohne Emissionen wird es auch langfristig nicht gehen, weil die Abfallverbrennung weiter eine Rolle spielt. Dafür muss es eine Kompensation geben, etwa durch das Abscheiden und Speichern des klimaschädlichen CO2. Und wer bezahlt das alles? „Es wird teurer werden, wenn wir nichts machen“, ist Müller überzeugt. Noch sei grüne Wärme teurer. Doch 2027 steige der CO2-Preis auf Wärme aus Kohle stark.

Die MVV, die gerade ihren 150. Geburtstag gefeiert hat, ist schon 1959 in den Ausbau der Fernwärme eingestiegen - für Müller „eine der mutigsten Entscheidungen“ der Firmengeschichte. Denn es war längst nicht sicher, dass sich das Nutzen der Abluft des GKM rechnen würde. Tatsächlich wurde es ein großer Erfolg: Heute werden zwei Drittel der Gebäude in der Stadt mit Fernwärme beheizt.

In den letzten Jahren wurde das Netz nicht weiter ausgebaut, sondern nur noch zusätzliche Verbraucher angeschlossen. Das soll sich im Rahmen des neuen Heizungsgesetzes der Bundesregierung ändern. Genauer will sich Müller öffentlich noch nicht festlegen - erst einmal hat die Stadt Mannheim Vorrang mit ihrer Wärmeplanung, die sie nach den Regeln in Baden-Württemberg bis zum Jahresende vorlegen muss. Der MVV-Chef deutete aber an, dass es nicht um die Anbindung zusätzlicher Stadtteile geht, die bisher noch nicht am Fernwärmenetz hängen, sondern nur um einzelne Straßen.

Klare Klimaziele

Spätestens 2035 will die MVV ihren Kunden nur noch grüne Energie liefern. Das gilt nicht nur für Strom, sondern auch für Gas, weshalb sie keine langfristigen Lieferverträge mehr abschließt, die 15 Jahre laufen. Ab 2040 will der Energieversorger als einer der ersten in Deutschland klimapositiv sein - und das nicht nur in Mannheim. Die MVV hält auch Beteiligungen an verschiedenen Stadtwerken von Kiel über Ingolstadt bis Sinsheim, Walldorf und Schwetzingen. In Kiel steht das modernste Gaskraftwerk in Deutschland. Es muss bis 2035 auf Wasserstoff umgestellt sein. „Wir sind kein internationales Unternehmen“, sondern ein deutsches, beschreibt Müller die Firmenphilosophie - was Aktivitäten in anderen Ländern nicht ausschließt, etwa in den USA und Südafrika.

Von 2016 bis 2026 investiert die MVV drei Milliarden Euro in das Energiesystem der Zukunft, einen erheblichen Teil davon in der Metropolregion, wo 2500 der über 6100 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz haben. In dieser Zeit soll sich die eigene Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verdoppeln. Grüner Wasserstoff gehört vorerst nicht zu den Investitionsschwerpunkten. Müller ist skeptisch, dass er bei der Wärmeversorgung eine große Rolle spielen kann. Das ist eine Frage der Menge: Die Industrie müsse Vorrang haben, und ihr Bedarf sei groß.

Die Klimaschutzmaßnahmen der MVV wurden von internationalen Organisationen anerkannt und testiert, streicht der Manager heraus. Doch bei allen Bemühungen um Klimaschutz muss sie auch wirtschaftlich erfolgreich bleiben. „Wir zahlen unsere Dividende nicht in CO2, sondern in Euro“, betonte der 1963 geborene Konzernchef, der seit 2009 an der Spitze steht und dessen Vertrag kürzlich um bis zu fünf Jahre verlängert wurde.

„Wir sind immer noch ein Unikat“, unterstreicht er mit Blick auf die Eigentümerstruktur. 1999 war die MVV der erste kommunale Energieversorger, der an die Börse ging. Bis heute sind etwa 4,5 Prozent der Aktien in Streubesitz, sie gehören also Kleinaktionären, und das soll sich nach seinem Willen auch nicht ändern - genauso wenig wie die Mehrheit der Stadt Mannheim, die 50,1 Prozent der Aktien hält. Die restlichen Anteile liegen bei einem in London notierten Infrastrukturfonds, der Gelder für Pensionskassen anlegt. Auch ihn sieht der MVV-Chef als langfristigen Aktionär. Bisher sei diese Konstruktion nirgends in Deutschland nachgeahmt worden.

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