Finanzen

Mit Bitcoin bezahlen: Mannheim wird erste Kryptostadt Deutschlands

Eine Initiative will Zahlungen mit Digitalwährungen ab Sommer in Mannheim ermöglichen. Das soll sogar Krypto-Fans aus dem Ausland anziehen und einen regelrechten "Kryptotourismus" erzeugen. Warum Experten skeptisch sind

Von 
Simon Retzbach
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Unkompliziert via App mit Kryptowährungen bezahlen: Das soll ab Sommer in Mannheim möglich sein. © Initiative Kryptostadt

Mannheim. Eine „Baustellenbegehung“ hatte Max Burger bei der Vorstellung des Kryptostadt-Projekts angekündigt. Das bedeutet: Fertig ist das Projekt noch nicht, aber man soll erkennen können, wie es mal funktionieren wird. Burger ist Teil der Kryptostadt-Initiative, die Städte „kryptofreundlich“ machen will. Nach Ljubljana in Slowenien und Lugano in der Schweiz soll mit Mannheim nun die erste deutsche Stadt zum Kryptostandort werden.

Kryptowährungen sind rein digitale Währungen. Zahlungsvorgänge werden auf einer „Blockchain“ genannten Datenbank festgehalten und sind nach Ansicht der Krypto-Fans eine sichere, dezentrale Methode der Geldanlage ohne staatliche Einflussmöglichkeiten. Prominenteste Währung ist dabei Bitcoin.

Kommentar Bezahlen mit Kryptowährungen wird ein Nischenthema bleiben

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Simon Retzbach
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Doch warum das Ganze? Burger erzählt von seiner Faszination für Kryptos. Als er 2021 im Urlaub damit bezahlt habe, war die Idee einer deutschen Kryptostadt geboren. Hört man dem Mannheimer zu, wird deutlich, dass sich die Motivation nicht wirklich rational erklären lässt. Denn bargeldlose Bezahlungen sind bereits möglich, richtig klar wird der Sinn hinter der Neuerung für Außenstehende erstmal nicht.

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„Das ist eine Glaubensfrage“, erklärt Burger. Daher richte sich das Projekt in erster Linie an die bestehende Kryptocommunity. Jeder achte Erwachsene in Deutschland investiert in Kryptos, wie aus einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Spendid Research hervorgeht. Viel Potenzial, wenn es nach Burger geht. „Auch in Nachbarländern gibt es viele Krypto-Besitzer. Von denen ist Mannheim nur einen Wochenendtrip entfernt“, sieht er das Vorhaben auch als Tourismusprojekt.

Wie funktioniert das Prinzip? Denkbar einfach. Händler brauchen ein Terminal, mit dem sie die Zahlung in Kryptowährungen via Smartphone-App akzeptieren können. Dann werden Zahlungen in drei verschiedenen Währungen, darunter Bitcoin, abgewickelt.

Für Händler soll es unkompliziert und günstig sein

In Ljubljana kann in über 600 sogenannten Akzeptanzstellen mit Kryptos bezahlt werden. In Mannheim, wo das „ab Sommer“ möglich sein soll, haben nach Angaben der Initiative bislang knapp 30 Geschäfte ihre Teilnahme zugesagt.

Laut Kurt Lemcke, der für die Initiative mit Mannheimer Händlern in Kontakt steht, gebe es „reges Interesse“, bundesweit erhalte man Anfragen. Es seien bislang überwiegend Gastronomen an Bord. „Sie sind zwar skeptisch, weil sie mit Krypto nichts am Hut haben wollen, aber sie kriegen direkt Euros, haben also Sicherheit“, erklärt er. Für Händler soll die Bezahloption unkompliziert und kostengünstig sein. Im Moment der Bezahlung erhalten sie den Betrag in Euro, halten Digitalwährungen nicht selbst. So würden Steuer- und Wertschwankungsrisiken vermieden.

Max Burger von der Kryptostadt-Initiative stellt das Konzept der kryptofreundlichen Stadt vor. © Kryptostadt-Initiative

Hier wird deutlich, warum Burger und sein Team die bestehende Community ansprechen wollen. Denn tägliche Schwankungen bedeuten stark unterschiedliche Preise für das selbe Produkt. Sowohl beim Umtausch von Euro in eine der Kryptowährungen als auch beim Bezahlen ergeben sich die Schwankungen. Für den überzeugten Krypto-Fan sollte das nach Überzeugung der Initiative aber kein Hindernis darstellen.

Auf Nachfrage werden keine genauen Kosten für Händler genannt, perspektivisch soll es günstiger sein als bei Kreditkarten. Dort liegen die Kosten zwischen einem und drei Prozent des Umsatzes. „Hier muss mehr Transparenz geschaffen werden“, fordern Forscher der Frankfurt School Blockchain Center (FSBC). Denn auch beim direkten Umtausch von Krypto in Euro, wie er beim Bezahlvorgang stattfindet, könnten „signifikante Kosten“ für Händler anfallen.

Projekt kann ein Ansatz für die Verknüpfung von Kryptowährungen und Realwirtschaft sein

Swen Rubel vom Handelsverband Nordbaden sieht „nur unter Marketinggesichtspunkten“ eine Chance für das Projekt. Doch auch hier zeigt sich Skepsis: Marketingexperte Florian Stahl von der Uni Mannheim sieht ein „spannendes Konzept“, bezweifelt jedoch, dass es großen Anklang finden wird. „Kunden wollen Bequemlichkeit“, erklärt er. Eine weitere App für die Bezahlung und der Umtausch von Euro in Krypto, um sie dann wieder auszugeben? Stahl sieht kaum Potenzial: „Warum soll ich mir die Mühe machen?“ Zugleich bewertet er positiv, dass Mannheim so als Einkaufsstadt ins Gespräch komme.

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„Spannend“ hingegen findet Stefan Scharnowski das Projekt. Er forscht zu Kryptowährungen an der Uni Mannheim. „Das ist ein Ansatz für die bisher fehlende Verknüpfung von Krypto mit der Realwirtschaft“, analysiert er. Wenn sich Kryptos hier bewährten, könne das einen realen Wert für Digitalwährungen insgesamt liefern. Allerdings: „Die meisten halten sie als Investitions- oder Spekulationsobjekt. Es wird ein paar Enthusiasten geben, die damit bezahlen, aber nicht mehr.“ Herkömmliche Bezahlmethoden werde man nicht verdrängen, es bleibe auch zukünftig „ein Nischenthema“.

Auch das FSBC schätzt, dass „unter fünf Prozent der Kunden“ Zahlungen auf diese Weise tätigen werden. „Die Zahlungsbereitschaft korreliert mit dem Preis von Krypto. Sollte dieser stark fallen, würde kaum jemand damit bezahlen“, gibt das FSBC zudem zu bedenken. Rubel nennt die Bezahloption ebenfalls „Nischenprodukt“. Trotz angeblich 30 teilnehmenden Händlern kennt er keine Interessenten: „Das System erscheint aktuell nicht flächentauglich: zu geringe Resonanz in der Bevölkerung und infolge dessen zu geringe Nachfrage von Akzeptanzstellen. Eine Kryptostadt sehen wir bisher nicht.“

Redaktion

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