Logistik

Lkw-Abfertigung: Bei der BASF geht jetzt alles per App

Die BASF spricht von einem „Meilenstein für die Chemieindustrie in Deutschland“. Wie die Lkw-Abfertigung am Stammwerk in Ludwigshafen abläuft.

Von 
Walter Serif
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BASF, Tor 15: Digitale Kameras erkennen das Nummernschild und die Ladung des Lkw, der ins Stammwerk in Ludwigshafen einfahren wil. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Mit Superlativen ist das ja so eine Sache. „Unser Projekt ist ein Meilenstein für die Chemieindustrie in Deutschland. Wir liefern damit einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit unsere Branche“, betreibt Werkleiter Helmut Winterling ziemlich großes Selbstlob beim Pressetermin des Chemiekonzerns BASF im Stammwerk Ludwigshafen. Einen „signifikanten Millionenbetrag“ – exakte Zahlen gibt es auch auf Nachfrage nicht – hat das Unternehmen nach seinen Angaben in die Digitalisierung der Lkw-Abfertigung gesteckt.

Na und, fragt sich vielleicht der Laie. Digitalisierung ist ja keine Raketenwissenschaft, inzwischen ist da praktisch jedes Unternehmen irgendwie unterwegs – Stichwort Künstliche Intelligenz. Das stimmt natürlich, aber bei einem Konzern wie der BASF spielt die Logistik schon eine besonders wichtige Rolle. Immerhin werden im Stammwerk 2.000 Lastwagen pro Tag abgefertigt. „Das ist ein enormes Potenzial für Digitalisierung. Schneller, effizienter“, sagt Winterling, gehe jetzt alles bei der BASF.

Der Fahrer zeigt seine App mit dem QR-Code vor. Wenn alles in Ordnung ist, darf er ins Werk hineinfahren. © Christoph Blüthner

Eine besondere Herausforderung dabei: Anders als in der Automobilindustrie – dieses Beispiel nennt Ralf Busche – geben die Kunden der BASF ihre Wünsche bis ins kleinste Detail vor. Und nach denen muss sich der Konzern dann auch richten. Dabei gibt es auch keine standardisierte Prozesse, denn jeder der Kunden hat seine eigenen Vorstellungen und erwartet natürlich, dass die BASF pünktlich die Ware liefert, erklärt der Leiter der Standortlogistik.

Der Auslöser des Projekts - Busche: „Die Stadt Ludwigshafen möge mir das verzeihen“ – waren die Probleme mit den Hochstraßen Nord und Süd. „Der ganze Verkehr in der Stadt ist ja praktisch zusammengebrochen“, sagt er. Dauerstau also. Dazu muss man wissen, dass 35 Prozent der Lieferungen, die am Stammwerk ankommen, per Lkw abgewickelt werden, bei den Auslieferungen sind es sogar mehr als die Hälfte. Der Verkehr wird jetzt über den Norden umgeleitet, dort sind die Zufahrten zur Autobahn und der B9 Richtung Frankenthal und Worms. „Dadurch waren wir aber gezwungen, den kompletten Lkw-Verkehr an einem einzigen Tor abzuwickeln – und das auch noch in einem engen Zeitfenster von rund zehn Stunden, denn die Lastwagen können ja nicht Tag und Nacht fahren“, sagt Busche.

Jeder Laster bekommt für die Einfahrt einen bestimmten Zeitslot. Die BASF kann das bis zu 72 Stunden im Voraus disponieren. © Christoph Blüthner

Aber: „Das kann man nur machen, wenn man anders denkt. Wir wickeln nicht ab, was an Tor 15 ankommt, sondern, was auf das Tor zukommt. Wir wollen an keiner Ladestelle einen Lastwagen haben, der nur herumsteht. Alles muss getaktet werden. Wir haben die Durchlaufzeiten um eine Stunde reduziert“, sagt Busche. Und Zeit ist natürlich immer Geld. Busche spricht von einem „klassischen Resilienzprojekt“. Der Standort hat demnach sozusagen den widrigen Umständen widerstanden und sich mit Blick auf die Logistik praktisch selbst neu erfunden. „Das Projekt ist wirtschaftlich, weil alles schneller geht, die Fahrkosten sinken und weniger Leute gebraucht werden“, erklärt Busche, warum er so viel Kohle für die Digitalisierung der Lkw-Abfertigung ausgeben durfte.

Ralf Busche, Leiter der Standortlogistik der BASF. © Christoph Blüthner

So blöd es klingen mag: Beim Rundgang – Journalisten meckern ja immer herum – stellt man sich dann doch die Frage: Das ist so genial, warum sind die Logistiker da nicht früher draufgekommen? Na ja, die Planung hat schon 2019 begonnen. 2022 wurde dann die neue Lkw-Abfertigung „Nord“ in Betrieb genommen und die Abfertigung an Tor 15 ausgebaut. Insgesamt sechs Jahre sind also vergangen, bis die BASF die Lkw-Abfertigung „nahezu vollständig digitalisiert und automatisiert“ hat, wie es in der Pressemitteilung heißt. Bis dann alles skaliert ist, dürfte es bis Jahresende dauern.

Helmut Winterling, BASF-Werkleiter in Ludwigshafen. © Christoph Blüthner

Alles in allem ein komplizierter Prozess. Früher hat es nach Angaben von Philipp Wotke bis zu drei Stunden gedauert, bis ein einziger Lkw abgefertigt wurde. „Genau da haben wir angesetzt“, sagt der Direktor Prozesse und Digitalisierung in der Standortlogistik. Jetzt geht alles smart und blitzschnell über eine App. „Früher hatten wir keinen Überblick, wie viele Lkw überhaupt wann ankommen“, sagt Wotke. Damit ist jetzt Schluss. Die BASF kann nun über einen Zeitraum von 24 bis 72 Stunden disponieren, nächstes Jahr sollen es dann bis zu zwei Wochen sein.

dTEX

In sein Projekt dTEX („Digital Transport Execution“) hat die BASF mehrere Millionen Euro gesteckt. Die Abfertigung der rund 2.000 Lastwagen, die pro Tag ins Stammwerk in Ludwigshafen ein- und ausfahren, wurde modernisiert.

Bereits 2022 wurde die neue Lkw-Abfertigung „Nord“ in Betrieb genommen und die Abfertigung an Tor 15 ausgebaut.

Das neue cloudbasierte, digitale EcoSystem dTEX ermöglicht eine durchgängige, punktgenaue Steuerung des Lkw-Verkehrs. Fahrer registrieren sich per App, erhalten digitale Dokumente und werden über QR-Codes etc. durch den Prozess geleitet. was

„Der Fahrer muss sich vorher per App anmelden und registrieren, er bekommt dann von uns die Info, wann und wo er anfahren muss. Fährt er in die Spur, erkennen die Kameras an Tor 15 das Nummernschild und welche Ladung im Lkw ist“, sagt Wotke. Der Fahrer muss auch nicht mehr seinen Führerschein oder andere Unterlagen vorzeigen. Der ganze Papierkram ist online in der Cloud gespeichert. Auch die Sicherheitschecks laufen digital ab. Der Chemiekonzern kooperiert dabei mit Trusted Carrier und star/trac supply chain solutions. Auf Neudeutsch heißt das Projekt dTEX. Hans Maier-Dech, Geschäftsführer der beiden genannten Unternehmen, stuft es als „weltweit führend“ ein.

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Und damit ja niemand auf die Idee kommt, dass es der BASF nur auf den schnöden Mammon ankommt. Nach der Interpretation des Unternehmens profitiert nicht nur die BASF. Die Spediteure können demnach besser planen, die Mitarbeitenden werden durch den Einsatz der effizienten IT-Systeme entlastet. Und auch die Umwelt hat etwas davon: weniger Emissionen und ein reduzierter C02-Ausstoß. Das hört sich dann schon nach ein bisschen viel Werbung an.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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