Vortrag

Lars Feld fordert in Mannheim: Weniger Staat, mehr Markt

„Never waste a good crisis“, sagt Ökonom Lars Feld zu den Trump-Zöllen. In Mannheim fordert er auf Einladung der IHK weniger Staat und mehr Markt.

Von 
Kilian Harmening
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Mannheim. Der Halbsatz geht beinahe unter an diesem Abend in Mannheim, beinahe, weil er so beiläufig fällt – und doch viel verrät. Lars Feld, Ökonom, einflussreicher Politikberater, spricht über Trump-Zölle, Sondervermögen, Bürokratie und Deregulierung. Bis er nicht nur die Alterung der Gesellschaft mitverantwortlich macht für die Strukturkrise der deutschen Wirtschaft, sondern auch unser „zu großzügiges Sozialsystem“. Keine Reaktion – weder Klatschen noch Raunen –, das Publikum, eingeladen von der IHK, hört weiter höflich zu.

Feld sagt nicht etwa „teures Sozialsystem“, er greift stattdessen zu einem Begriff wie „zu großzügig“ – kein ökonomischer Fakt, sondern normative Wertung. Das verrät, dass der Professor mit doppeltem Doktortitel nicht nur als Experte zu Gast ist. Wer genauer hinhört, erkennt, dass all die aufschlussreichen Grafiken auch sein ideologisches Bekenntnis garnieren. Eines, das tief im schwarz-gelben Wertefundament wurzelt. Dabei war Feld einst SPD-Mitglied – bis er 2003 austrat, weil ihm die Hartz-Reformen nicht weit genug gingen.

Feld, Erfinder der Schuldenbremse, kritisiert ihr Ende

Es ist Teil seiner Rolle, dass Feld auch als neoliberaler Denker auftritt, eine Haltung, die ihm weithin zugeschrieben wird. Das muss nicht falsch sein – aber man sollte es wissen, wenn man ihm zuhört. So überrascht es wenig, dass er auch in diesen Tagen noch zu der Minderheit deutscher Ökonomen zählt, die die geplante Neuverschuldung sehr kritisch sehen – weil Feld selbst als Erfinder der Schuldenbremse gilt.

Befürworter einer lockeren Haushaltsdisziplin argumentieren, dass Deutschlands Schuldenquote mit 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) noch moderat sei – in Frankreich sind es 110 Prozent, in Italien 135 Prozent, doch in den Niederlanden 40 Prozent, in Schweden ein Drittel. Feld will dieses Argument also nicht gelten lassen: „Ich habe in der Schule gelernt, dass es besser ist, sich mit den Besseren zu vergleichen.“

Die in Deutschland nötigen Infrastrukturausgaben seien „locker aus dem Haushalt zu bewältigen“, findet Feld. Symbolisch sei im Wahlkampf die eingestürzte Carolabrücke als Bild für marode Infrastruktur herangezogen worden – dabei stünden die Gelder dafür bereits im Haushalt, argumentiert er. Was er vergisst: geplante Kürzungen bei Dresdner Jugendtreffs, Kitas und Nahverkehr, um die hunderten Millionen zu kompensieren.

„Jede Interessengruppe versucht halt, Zugang zu bekommen zu den politischen Entscheidungsträgern“, antwortet Feld auf die Publikumsfrage der CDU-Landtagsabgeordneten Christiane Staab. Sie will wissen, wie sie die Balance wahren soll zwischen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren – und lässt durchblicken, wie schwer ihr das fällt bei klammen Kassen. Feld, der Moralismus als negativ beschreibt, verweist an späterer Stelle darauf, dass Deutschland von 2012 bis 2019 die zweitlängste Wachstumsphase der Nachkriegszeit erlebte. „Da wird man schon bequem, das gilt auch für Unternehmen“, sagt er.

„Russland hat sich auf einen langen Krieg vorbereitet“

Schlimmer als die Trump-Zölle selbst ist für Feld die damit verbundene Unsicherheit bei Sicherheitsfragen: „Wer liefert uns noch atomaren Schutz in Europa?“, stellt er in den Raum und blickt auf Russland, das in Felds Europakarte als einziges Land grün eingefärbt ist – denn es geht um Schuldenquoten, die beträgt bei der Kreml-Macht weniger als 20 Prozent des BIP. „Niedrige Schuldenquoten sind ein Element der Verteidigungspolitik“, stellt Feld fest und konkretisiert: „Russland hat sich finanzpolitisch auf einen Krieg vorbereitet, und zwar einen Krieg, der länger geht.“

Für die kommenden Wochen wagt Feld kaum konkrete Prognosen zur Entwicklung des globalen Zollstreits, doch wirft er die Frage auf, ob ein Kalter Krieg 2.0 droht. Die Sorge vor einer globalen Rezession jedenfalls wachse, die dann auch Deutschland im vierten Jahr der wirtschaftlichen Stagnation hart träfe. Zentraler Tenor des Abends: Der Staat, der immer mehr zulange, müsse endlich Deregulierung antreiben. „Never waste a good crisis“, meint Feld – Trumps Zölle könnten in Deutschland Gelegenheit für Reformen sein, die sonst kaum mehrheitsfähig wären. Nur weniger komplizierte Regeln helfen der deutschen Wirtschaft, wieder zu wachsen.

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