Mannheim. Irgendwie hat sich Janna Köke schon daran gewöhnt. „Immer vor Weihnachten gibt es schlechte Nachrichten“, sagt die Geschäftsführerin der Mannheimer IG Metall. „Das ist schon bei Bombardier so gewesen – Alstom reiht sich jetzt leider in diese Tradition ein. Das ist nicht besonders ruhmvoll.“
Der französische Zug- und Bahntechnikhersteller hat Einschnitte vor. Alstom spricht von einem „kompakten Transformationsplan, um die operative Effizienz und Produktivität“ zu erhöhen.
Über drei Jahre hinweg sollen bundesweit in der Fertigung zwischen 900 und 1300 Arbeitsplätze gestrichen werden. Vor allem im Osten: In Hennigsdorf bei Berlin sind 350 bis 450 Jobs gefährdet, in Görlitz (Sachsen) 300 bis 400. Alstom will betriebsbedingte Kündigungen vermeiden und wenn möglich auf „sozialverträgliche“ Lösungen wie Vorruhestandsregelungen setzen.
Neue Jobs
Der Hersteller weist darauf hin, dass in Sparten wie Software und Digitalisierung sowie bei Ingenieur- und weiteren Dienstleistungen auch bis zu 700 neue Stellen geschaffen werden sollen – etwa in Braunschweig, Berlin und Mannheim.
Der Mannheimer Standort (ehemals Bombardier) mit rund 900 Mitarbeitern spezialisiert sich auf Forschung und Entwicklung, verfügt allerdings noch über eine kleine Produktion mit etwa 50 Beschäftigten, in der Stromrichter für Straßenbahnen hergestellt werden. Dort und in angrenzenden Abteilungen könnten bis zu 25 Arbeitsplätze wegfallen.
Die IG Metall reagiert zurückhaltend auf die Ankündigung Alstoms, im Gegenzug neue Jobs schaffen zu wollen. „Um die Stellen zu besetzen, muss man erstmal ein attraktiver Arbeitgeber sein“, sagt Gewerkschafterin Köke. „Personalabbau und die Ankündigung von Einschnitten seitens des Unternehmens haben noch nie dafür gesorgt, für Beschäftigte attraktiv zu sein.“
Thomas Merz, Betriebsratsvorsitzender in Mannheim, moniert eine schlechte Kommunikation seitens Alstom. „Die Kürzungspläne sind ohne jede Vorankündigung gekommen“, sagt er, „das ist ohne Beispiel. Wie soll so eine Vertrauensbasis entstehen?“ Merz hebt hervor: Mannheim als Forschungs- und Entwicklungsstandort sei ein klarer Innovationstreiber, die Arbeitsplätze seien hochwertig. Obwohl neue Jobs in Aussicht gestellt werden, ist auch er skeptisch. „Wir beobachten seit der Übernahme, dass unser hochwertiges Engineering aus Frankreich heraus bedroht ist und Mannheim nur noch eine Programmierwerkbank werden könnte.“
Selbst die Landespolitik schaltet sich ein. Zunächst klinge die Zahl von 25 gefährdeten Jobs zwar niedrig, teilt der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei mit. Aber: „Ich warne ausdrücklich vor einer Salami-Taktik. Was hier droht, sind Einschnitte in Fertigung und Service, die die Wettbewerbsfähigkeit des Werkes Mannheim nachhaltig beeinträchtigen können.“
Überkapazitäten in der Produktion
Der Konzernsprecher will Alstom in Deutschland „als gesamtes Bild“ betrachtet sehen. „Wir investieren stark und entwickeln unsere Standorte zu Kompetenzzentren um. Gerade in den Bereichen Services und Digitalisierung planen wir, in den nächsten Jahren zu wachsen“, erklärt er. Der Stellenabbau konzentriere sich daher auf die Produktion. Hier gebe es Überkapazitäten, die weder kurz- noch langfristig ausgelastet werden könnten. Betriebsrat, Gewerkschaft und Politik seien über die Einschnitte informiert worden. Ziel sei es, die Wettbewerbsfähigkeit von Alstom zu sichern, hebt der Sprecher hervor.
Der Mannheimer Standort wird seit Juli von Karin Sautter geführt. Im Gespräch mit dieser Redaktion hatte sie im Sommer erklärt, sicher zu sein, dass Mannheim gut positioniert sei und unter Alstom eine „sehr positive Zukunft“ haben werde.
Janna Köke von der IG Metall will sich in nächster Zeit mit Arbeitnehmervertretungen anderer Standorte zusammenschließen, um gemeinsam gegen die Kürzungspläne zu kämpfen. Und die sächsische Landesregierung bereitet offenbar Gespräche mit dem neuen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor.
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