Heidelberg. Das Heidelberger Start-up Aleph Alpha hat sich seit seiner Gründung 2019 den Ruf als eine KI-Geheimwaffe erarbeitet. Doch inzwischen macht Aleph Alpha vor allem Negativ-Schlagzeilen. Es gab Verwirrung um eine 500-Millionen-Dollar-Finanzspritze - waren es möglicherweise nur 110 Millionen Dollar? Auch Meldungen, dass der einst als Champion gefeierte KI-Spezialist mit seinem Sprachmodell technisch weit hinter der Konkurrenz stehen würde, sorgten für Aufsehen. Offensichtlich wurden außerdem die Umsatzziele weit verfehlt. Und dann gab es auch noch Berichte, wonach mehrere Manager das Unternehmen verlassen hätten.
KI-Start-up stellt lang erwartetes neues Sprachmodell vor
Es besteht also Redebedarf. Deshalb durfte man schon erwarten, dass CEO und Mitgründer Jonas Andrulis beim virtuellen Strategie-Update auch etwas dazu sagen würde. Machte er aber nicht. Andrulis ließ diese Gelegenheit leider verstreichen, auch entsprechende Fragen des Reporters im Chat wurde „aus Zeitgründen“ nicht beantwortet.
Gleichwohl erweckte CEO Andrulis nicht den Eindruck, dass er derzeit in Depressionen verfällt. Im Gegenteil. Das Start-up sieht sich sehr gut aufgestellt und verkaufte die neue Strategie mit vollem Einsatz. Aleph Alpha will der Kundschaft künftig ein Rundum-sorglos-Paket anbieten. Das Unternehmen verlagert damit seine bisherige Strategie von der reinen Entwicklung auf die Anwendung. Die neue Komplettlösung aus Heidelberg heißt Pharia AI. Nur ein kleiner Baustein darin ist Pharia-1. Das KI-Start-up stellte dieses lang erwartete Sprachmodell bei der zweistündigen Video-Konferenz vor. Es soll vor allem bei Anwendungen in Unternehmen und in der Verwaltung mit der internationalen Konkurrenz mithalten können.
Damit verabschiedet sich Aleph Alpha von der bisherigen Maxime, die Software komplett in Eigenregie zu entwickeln, weil die Manager offensichtlich eingesehen haben, dass sie nur mit Sprachmodellen nicht am Markt bestehen können. KI-Chatbots allein, so Andrulis, sind kein Geschäftsmodell.
Pharia Al ist eine Art von Betriebssystem, auf dem mehrere Sprachmodelle laufen laufen können. Die Kunden entscheiden, ob sie das von Aleph Alpha oder eines von anderen Anbietern nutzen wollen.
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Die neue Strategie sieht dann so aus: „Wir begleiten unsere Kunden beim gesamten Entwicklungsprozess, also von der Idee bis zur Wertschöpfung“, sagte Produktchef Christopher Kränzler.
Das Hauptpfund, mit dem das Start-up wuchern will, ist dabei die „Datensouveränität“. Wenn Unternehmen die Sprachmodelle mit dem Gehirnschmalz ihrer Experten füttern, soll das Wissen - und damit auch die Gewinne - nicht einfach bei den Tech-Giganten in Übersee landen, sondern in Europa bleiben. „Die Kunden behalten die Souveränität über ihr Know-how. Ob in der Cloud oder auf ihren eigenen Servern“, so CEO Andrulis.
CEO Andrulis: „Das können wir als freie Demokratie nicht akzeptieren“
Und natürlich betreibt Andrulis noch mit einem anderem Argument Eigenwerbung. „Länder, die uns etwas geben wollen, entscheiden, was wir fragen können, wenn wir ihr Sprachmodell benutzen. Das können wir als freie Demokratie nicht akzeptieren“, sagt er und demonstriert anhand eines Beispiels, welche kritische Frage ein chinesisches Sprachmodell nicht beantwortet: Das Jahr 1989 - Massaker am Tiananmen - ist ein Tabu.
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