Start-ups

Grünes Methanol aus Mannheimer Abwasser

Grünes Methanol gilt als Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung der Schifffahrt - doch es gibt zu wenig davon. Ein Mannheimer Start-up will das ändern.

Von 
Tatjana Junker
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Blick in die neue Pilotanlage am Mannheimer Klärwerk. Aus Biogas wird hier künftig grünes Methanol hergestellt. © Christoph Bluethner

Mannheim. Der Verkehrssektor hinkt seinen Klimazielen hinterher - da redet Volker Wissing in seinen letzten Tagen als verantwortlicher Minister nicht lange drumherum. Doch darum, welche Versäumnisse hier in der Vergangenheit vielleicht gemacht wurden, oder gar um Vorwürfe, soll es an diesem frühlingshaften Vormittag bei Wissings Besuch in Mannheim nicht gehen. Lieber richtet der scheidende Bundesverkehrsminister den Blick in die Zukunft - und auf die innovativen Lösungen, die diese hoffentlich mit sich bringt.

Ein Beispiel dafür wird an diesem Morgen in Mannheim gefeiert: Das junge Unternehmen Icodos, ein 2022 gegründetes Climate-Tech-Start-up aus dem Gründungszentrum Mafinex, weiht auf dem Gelände des Mannheimer Klärwerks eine Pilotanlage ein. Hier soll künftig aus Biogas, zu dem der Klärschlamm aus dem Mannheimer Abwasser vergärt, grünes Methanol hergestellt werden. Das wiederum soll dabei helfen, den Schiffsverkehr klimaneutral zu machen, eine von mehreren Herausforderungen bei der Transformation des Verkehrssektors.

Drei Prozent der Emissionen stammen vom Schiffsverkehr

Aktuell ist der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren immerhin für knapp drei Prozent der globalen klimaschädlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Bisher sind die riesigen Containerschiffe auf den Ozeanen mit fossilen Treibstoffen unterwegs, vor allem Schweröl und Marinediesel. Batterieelektrische Antriebe, die sich vor allem im Pkw-Bereich als Alternative zum Verbrennermotor nach und nach durchsetzen, sind hier keine Option, ebenso wenig wie in der Luftfahrt.

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In der Schifffahrt liegt der Fokus stattdessen auf alternativen, nachhaltigeren Treibstoffen, sogenannten E-Fuels. Vor allem Ammoniak und grünes Methanol gelten hier als Hoffnungsträger. Das Hauptproblem, das bringt auch der Bundesminister in seiner Rede an der Mannheimer Kläranlage auf den Punkt, ist allerdings deren Verfügbarkeit: Bisher gibt es viel zu wenig davon, und die Produktion wächst noch nicht schnell genug, um den riesigen Bedarf zu decken.

Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie

Wissing betont in dem Zusammenhang auch, wie wichtig es sei, dass Deutschland eigene Kapazitäten aufbaue und nicht nur auf den Import setze. „Es wäre töricht darauf zu warten, dass die Innovationen an anderen Standorten passieren“, sagt der Minister. Gerade als Exportnation stehe Deutschland vor der Herausforderung, den Weg zu einer klimaneutralen Logistik zu finden. Dafür seien Forschung und Entwicklung wichtig, vor allem aber auch Tempo bei der Anwendung und Skalierung.

V.l.n.r.: Icodos-Geschäftsführer David-Andre Strittmatter, Alexander Mauritz, Betriebsleiter der Stadtentwässerung Mannheim, Bundesverkehrsminister Volker Wissing, Oberbürgermeister Christian Specht, Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell und Icodos-Mitgründer Francisco Vidal-Vázquez. © Christoph Bluethner

Das Mannheimer Start-up Icodos ist dafür quasi ein Vorzeige-Kandidat: Mitgründer und CTO Francisco Vidal Vazquez kam 2019 ans Karlsruher Institut für Technologie (KIT), hat dort die Idee entwickelt und zunächst im Labor umgesetzt - die Basis für eine erste Pilotanlage. 2022 wurde aus der Idee mit der Gründung von Icodos schließlich ein Unternehmen. Das Start-up wird heute von David-Andre Strittmatter als Geschäftsführer geleitet und hat aktuell 15 Mitarbeitende. Im November 2023 wurde Icodos im Bereich Technologie mit dem Mannheimer Existenzgründungspreis Mexi ausgezeichnet.

Erste kommerzielle Anlage in Spanien geplant

Basis des Geschäftsmodells ist das von den Gründern entwickelte und patentierte Verfahren, aus Biogas grünes Methanol, also e-Methanol, herzustellen. Mit der neu eingeweihten Pilotanlage „Mannheim 001“ im Mannheimer Klärwerk soll das Verfahren nun im Realbetrieb weiterentwickelt werden. Ausgangspunkt ist der Klärschlamm, der in dem städtischen Eigenbetrieb bei der Reinigung des Abwassers entsteht. Dieser vergärt zu Biogas, das zu etwa 40 Prozent aus Methan und zu 60 Prozent aus CO2 besteht. Letzteres wird abgeschieden und für die Herstellung des grünen Methanols verwendet. Dafür braucht es außerdem grünen Wasserstoff, der mit Hilfe von Elektrolyseuren ebenfalls in der Anlage produziert wird. Dafür wird Strom aus erneuerbaren Energien benötigt.

Die Produktionskapazität der Mannheimer Anlage liegt laut Vazquez bei zehn Tonnen im Jahr. Eine erste kommerzielle Anlage ist in Spanien geplant. Gemeinsam mit dem KIT ist Icodos auch Partner bei dem EU-Projekt Poseidon. Ziel ist es, an zwei Pilotstandorten – die Häfen von Valencia und Thessaloniki - die Nutzung von e-Methanol für die Schifffahrt zu demonstrieren.

Rund 9000 Kläranlagen gibt es allein in Deutschland

Icodos-Geschäftsführer Strittmatter sieht für das von dem Start-up entwickelte Verfahren unterdessen großes Potenzial: allein in Deutschland gebe es rund 9000 Kläranlagen, in ganz Europa sind es mehr als 70.000. Sein Mitgründer Vazquez ist zuversichtlich, dass es dem jungen Unternehmen perspektivisch auch gelingen wird, das grüne Methanol zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren.

Für den Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht ist die neue Icodos-Pilotanlage im Klärwerk ein erfolgreiches Beispiel dafür, wie „Transformation und Wettbewerbsfähigkeit als Industriestandort zusammenkommen“. Er lobt bei der Einweihung auch das Engagement des Eigenbetriebs Stadtentwässerung Mannheim, der bei der Pilotanlage im Klärwerk als Projektpartner an Bord ist. Für erfolgreiche Innovationen brauche es die Bereitschaft und den Mut, auch Projekte umzusetzen, die noch nicht vollständig ausgereift seien. „Das ist der Geist, der für Mannheim steht“, so Specht.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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