Mannheim/Viernheim. Jetzt geht das Bangen wieder los. Noch keine vier Monate ist es her, da knallten bei Galeria Karstadt Kaufhof in Viernheim die Sektkorken. Belegschaft und Kunden feierten da gemeinsam die Nachricht, dass es die Kaufhaus-Filiale im Rhein-Neckar-Zentrum wieder von der Streichliste des angeschlagenen Konzerns geschafft hatte. Die Schließung sei nach einer Einigung mit dem Vermieter der Immobilie vom Tisch, hieß es damals, die bereits ausgesprochenen Kündigungen für die Belegschaft wurden zurückgenommen.
Doch spätestens seit Dienstag dürfte bei vielen Beschäftigten der Warenhauskette die Sorge um ihren Job zurückgekehrt sein: Zum dritten Mal innerhalb von dreieinhalb Jahren hat Galeria Karstadt Kaufhof einen Antrag auf Insolvenz gestellt. Die Zukunft der verbliebenen rund 90 Häuser und rund 15 000 Beschäftigten ist damit erst einmal wieder offen. „Die Unsicherheit bleibt Dauergast bei Galeria Karstadt Kaufhof“, kommentiert Horst Gobrecht, Gewerkschaftssekretär bei Verdi im Bezirk Südhessen, die Situation am Dienstagnachmittag.
Letzte Tage in Heidelberg
Neben der Filiale in Viernheim hat die Warenhauskette aktuell noch sechs weitere in der Region: jeweils eine in Mannheim und Speyer und jeweils zwei in Darmstadt und Heidelberg. In den beiden letzten Städten steht allerdings die Schließung von jeweils einer Filiale unmittelbar bevor. So läuft am Heidelberger Bismarckplatz bereits seit Wochen der Ausverkauf. Zuletzt waren dort nur noch zwei von sieben Verkaufsetagen für Kunden geöffnet, als letzter offizieller Verkaufstag wurde der 17. Januar avisiert.
Auch das Haus in der Rheinstraße in Darmstadt macht spätestens zum Monatsende endgültig dicht. Dort bangen die Beschäftigten nach Angaben von Gewerkschaftssekretär Gobrecht nun sogar darum, ob sie vor dem Hintergrund des neuen Insolvenzantrags überhaupt noch ihre zugesagte Abfindung bekommen.
„Wir brauchen die Warenhäuser“
Doch auch die Filialen der Region, die bisher von den Streichungsplänen des Unternehmens verschont geblieben sind, stehen nun wieder vor einer ungewissen Zukunft. Dass die Mitarbeitenden dort jetzt abermals Angst um ihre Arbeitsplätze haben müssten, sei „ganz, ganz bitter“, sagt Sabine Möller, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi Rhein-Neckar. Zumal auch die Belegschaft in den letzten Jahren Zugeständnisse gemacht habe - in der Hoffnung, damit zur Rettung des Unternehmens beizutragen. So habe man bereits nach der ersten Insolvenz einen Sanierungstarifvertrag mit niedrigeren Gehältern abgeschlossen, um eine Fortführung der Warenhäuser zu sichern.
In Möllers Bezirk liegen unter anderem die Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen am Mannheimer Paradeplatz und in der Heidelberger Hauptstraße. Dort arbeiten der Gewerkschaftssekretärin zufolge insgesamt rund 200 Beschäftigte. Nicht nur für sie hofft Möller, dass die beiden Häuser auch nach dieser Insolvenzrunde erhalten bleiben: „Wir brauchen die Warenhäuser auch für die beiden Innenstädte, sie sind dort immer noch wichtige Ankerpunkte.“
Ähnlich klingt das bei Lutz Pauels, dem Vorsitzenden der Werbegemeinschaft City in Mannheim. „Wenn die Stadt die Kaufhaus-Filiale am Paradeplatz verlieren würde, wäre das ein herber Verlust“, sagt er. Obwohl die Nachricht vom neuerlichen Insolvenzantrag der Warenhauskette natürlich grundsätzlich besorgniserregend sei, bleibe er erst einmal optimistisch: Die Filiale am Paradeplatz habe einige Standortvorteile - nicht zuletzt ihre absolut zentrale Lage in der City. „Das ist ja ein Filetstück“, so Pauels. Er glaube außerdem weiter daran, dass eine Stadt wie Mannheim ein Warenhaus gut vertrage.
Stadt Mannheim ist mit Galeria im Gespräch
Die Stadt Mannheim steht unterdessen nach Angaben von Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) bereits "seit längerem auf örtlicher Ebene und auf Konzernebene mit Galeria in Kontakt, um unterstützend einzuwirken und die Lage vor Ort zu stabilisieren." Die Gespräche auf örtlicher Ebene umfassten die Geschäftsleitung und die Arbeitnehmervertretung der Galeria Filiale P 1 am Paradeplatz, außerdem die Signa-Immobilienbesitzgesellschaft als Vermieterin der Mannheimer Galeria-Filiale. "Dem Vernehmen nach arbeitet die Mannheimer Filiale dank der hohen Kundenfrequenz wirtschaftlich. Wir verfolgen gemeinsam mit der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmervertretung der Filiale das Ziel, den Kundinnen und Kunden im Herzen der Mannheimer Fußgängerzone ein modernes Warenhauskonzept anzubieten und so den Beschäftigten von Galeria am Paradeplatz eine attraktive Zukunftsperspektive zu erhalten", so der Oberbürgermeister.
Beim Unternehmen selbst geht man offenbar mit einem gewissen Kampfgeist in das bevorstehende Verfahren: „Die Insolvenz kann für uns zu einem Befreiungsschlag werden“, erklärt Galeria-Chef Olivier van den Bossche in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Er sei optimistisch, was die Zukunft des Unternehmens betreffe. „Wir sind zahlungsfähig und haben ein gutes erstes Quartal im neuen Geschäftsjahr geschafft“, sagt van den Bossche in dem Interview. Dass sich die Lage nun dennoch verdüstert hat, hat viel mit der Pleite des Mutterkonzerns Signa zu tun. Die Unternehmensgruppe des Österreichers Rene Benko hatte Ende November Insolvenz angemeldet. Für Galeria hat das direkte Konsequenzen. Erst im Frühjahr 2023 hatte Signa für die Sanierung des Warenhauskonzerns Hilfen in Höhe von 200 Millionen Euro zugesagt. Geld, das jetzt vermutlich nicht mehr fließen wird.
„Die Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigen Galeria massiv, behindern das laufende Geschäft und schränken durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die künftige Entwicklungsmöglichkeit stark ein“, so Galeria-Chef van den Bossche.
Insolvenzgeld für Betroffene
Nun hofft die Warenhauskette auf einen neuen Eigentümer. Nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters Stefan Denkhaus gibt es bereits Interessenten, weitere werde man ansprechen. Ziel sei, „dass wir im Zeitfenster von sieben, acht Monaten dann auch dieses Insolvenzverfahren wieder verlassen können“. An die Beschäftigten appelliert Denkhaus, „dem Unternehmen die Treue zu halten“. „Wir haben jetzt den Insolvenzgeldzeitraum bis Ende März.“ Die Bundesagentur für Arbeit hatte zuvor mitgeteilt, dass Insolvenzgeld für die Beschäftigten auch in diesem Verfahren gezahlt werde. „Geben Sie uns die Chance, dass wir gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen und in eine gute Zukunft führen“, so Denkhaus.
Teils hohe Mietbelastung
Auch Gesamtbetriebsratschef Jürgen Ettl hält Galeria für zukunftsfähig. Einem einzelnen Investor oder Konsortium könnte das Unternehmen zwischen sechs und 17 Prozent Rendite bieten, so der Arbeitnehmervertreter gegenüber der „Wirtschaftswoche“. Das Jahresergebnis von Galeria könnte um 60 bis 80 Millionen Euro höher liegen, wenn die Mieten auf ein adäquates Niveau gestutzt würden. Zum Hintergrund: Einige Galeria-Filialen - beispielsweise die am Mannheimer Paradeplatz - befinden sich in Signa-Immobilien. Hier zahlt der Kaufhauskonzern außerordentlich hohe Mieten. An einzelnen Standorten führt Galeria demnach bis zu 35 Prozent des Umsatzes als Miete ab. Ein „gesundes“ Verhältnis liegt Branchenkennern zufolge bei zehn bis zwölf Prozent. Bei Galeria hofft man, sich nun von den hohen Mieten befreien zu können. Laut Van den Bossche können bereits mehr als 60 der 92 Standorte profitabel betrieben werden. Nun wolle man gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Mietverträge nachverhandeln.
Klar ist aber auch, dass an einigen Standorten ein deutlicher Modernisierungsbedarf aufgelaufen ist - auch in der Region. Ein neuer Eigentümer müsste also erst einmal kräftig in die Warenhäuser investieren. (mit dpa)
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