Geld

Das Finanzamt macht die Steuererklärung – bald auch in Mannheim?

Mit einem Pilotversuch in Kassel will die Verwaltung Bürgerfreundlichkeit beweisen. Was in Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geplant ist.

Von 
Dieter Keller
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In Kassel nimmt die Steuererklärung derzeit nicht den üblichen, sondern den umgekehrten Weg: Steuerpflichtige bekommen sie per Post vom Finanzamt zugeschickt (Symbolbild). © picture alliance/dpa

Mannheim. Spätestens am 31. Juli musste die Einkommensteuererklärung für 2024 beim Finanzamt sein. Wer das versäumt hat, dem droht von dort unerfreuliche Post: eine Mahnung oder gar ein Verspätungszuschlag. Anders im Raum Kassel: Dort verschickt das Finanzamt in diesen Tagen an säumige Bürger eine vollständig ausgefüllte Steuererklärung, ohne dass sie vorher etwas abgegeben haben. „Die Steuer macht jetzt das Amt“, gibt der hessische Finanzminister Alexander Lorz (CDU) als Motto aus. Noch ist das allerdings nur ein Pilotversuch für 6000 Steuerpflichtige in und um Kassel. Ob er im nächsten Jahr auf ganz Hessen ausgedehnt wird, ist offen. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen nicht so schnell folgen.

Für Lorz ist der Versuch „der nächste Schritt auf dem Weg zu einer noch bürgerfreundlicheren Steuerverwaltung“. Er nutzt die vielen Daten, die heute schon direkt beim Finanzamt landen. Die Arbeitgeber müssen das Gehalt samt Sozialabzügen melden. Rentenversicherer sind ebenso eingebunden wie andere Versicherungen. Daraus entsteht automatisiert ein Vorschlag für die Einkommensteuer. Das Ergebnis sieht schon aus wie der Steuerbescheid. Wer damit einverstanden ist, muss nichts machen; der endgültige Bescheid folgt nach vier Wochen. Erst dann werden Rück- oder Nachzahlungen fällig.

„Neues Kapitel im Miteinander von Bürger und Verwaltung“

Allerdings ist es innerhalb dieser Zeit noch möglich, zusätzliche Aufwendungen geltend zu machen. Das gilt beispielsweise für die Entfernungspauschale oder andere Ausgaben von Arbeitnehmern, wenn mehr zusammenkommt als die Pauschale von 1230 Euro, oder für Spenden. Dafür muss der Bürger selbst aktiv werden, und zwar möglichst mit der Software Elster. Wer noch andere Einkünfte hat, beispielsweise aus Vermietung oder ausländischen Kapitalanlagen, ist weiter verpflichtet, eine normale Steuererklärung abzugeben.

Lorz sieht „ein neues Kapitel im Miteinander von Bürger und Verwaltung“. Es erspare den Bürgern die Steuererklärung, und die Verwaltung steigere ihre Effizienz. Wie schnell dies allerdings auf ganz Hessen ausgedehnt werden kann, ist offen. Andere Bundesländer halten sich noch zurück. Die Baden-Württemberger können wohl nicht so schnell damit rechnen, dass das Modell im Land angewandt wird. Die Details seien noch nicht bekannt, erklärte ein Sprecher des Stuttgarter Finanzministeriums auf Anfrage dieser Redaktion. „Aber grundsätzlich sind auch wir an Vereinfachungen sowohl im Prozess als auch der Steuererklärung selbst interessiert.“ Das sei auch regelmäßig Thema in den Gesprächen mit den anderen Bundesländern.

Elster- und andere Software übernimmt Daten

Darauf verwies ebenfalls die Sprecherin des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz. Das Land stehe „der Abkehr vom Erklärungsprinzip zur Amtsveranlagung in bestimmten Fällen offen gegenüber“. Ein Verfahren wie im hessischen Pilotprojekt sei aber derzeit in Rheinland-Pfalz noch nicht geplant.

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Die Grundidee sei nicht neu, sagte der Chef des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine, Uwe Rauhöft. Unter dem Stichwort „vorausgefüllte Steuererklärung“ gebe es bereits seit Jahren die Möglichkeit, vorhandene Daten direkt in die Steuererklärung zu übernehmen. Auch dies geht mit der Elster-Software oder anderen Steuerprogrammen. Im Unterschied zum hessischen Pilotversuch muss allerdings die Steuererklärung ausdrücklich abgegeben werden. Zudem gibt es für Senioren, die nur Einkünfte aus Renten und Pensionen haben und deren Zinseinkünfte unter dem Sparerpauschbetrag von 1000 Euro liegen, mit „einfachElster“ eine spezielle Abgabemöglichkeit. Dies wurde in Mecklenburg-Vorpommern getestet, inzwischen ist es bundesweit möglich.

Deutsche Steuergewerkschaft befürwortet Verfahren

Rauhöft begrüßt grundsätzlich das neue Verfahren. Trotzdem blieben die Lohnsteuerhilfevereine und die Steuerberater weiter wichtig, um das optimale Steuerergebnis zu erzielen. Auch die Deutsche Steuergewerkschaft befürwortet das neue Verfahren. „Was in Österreich seit Jahren erfolgreich funktioniert, wird nun auch in Deutschland Realität“, erinnerte ihr Vorsitzender Florian Köbler daran, dass das Modell aus unserem Nachbarland stammt. Er hofft auf eine rasche, vollständige Digitalisierung der Steuerverwaltung. Dann könnten sich die Steuerbeamten auf die wirklich komplexen und wichtigen Fälle konzentrieren.

Bis zum 31. Juli mussten nur diejenigen eine Steuererklärung für das Jahr 2024 abgeben, die dazu verpflichtet sind. Gerade Arbeitnehmer sind das häufig nicht. Es gibt aber eine lange Liste, wer dies tun muss, etwa wenn Mieteinnahmen vorliegen oder Lohnersatzleistungen bezogen wurden wie Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- oder Krankengeld. Wer die Frist versäumt, dem droht ein Verspätungszuschlag von 0,25 Prozent der Steuerschuld pro Monat, mindestens 25 Euro.

Rentner müssen eine Steuererklärung abgeben, wenn der steuerpflichtige Anteil ihrer Bezüge im letzten Jahr über dem steuerfreien Existenzminimum von 11.604 Euro (Ledige) lag. Wer einen Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein einschaltet, hat bis zum 30. April 2026 Zeit. Wer nicht zur Abgabe verpflichtet ist, kann dies freiwillig tun, wenn er sich eine Steuererstattung erhofft. Dafür ist viel Zeit: Für 2024 ist die Abgabe bis Ende 2028 möglich.

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