Viernheim/Essen. „Karstadt muss bleiben, Karstadt muss bleiben, Karstadt muss bleiben“ - minutenlang und immer wieder skandieren rund 60 Beschäftigte der Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale im Viernheimer Rhein-Neckar-Zentrum (RNZ) am Montagvormittag lautstark ihre Forderung, begleitet von rhythmischem Klatschen. Vor zwei Wochen haben die 92 Frauen und Männer erfahren, dass der angeschlagene Warenhauskonzern diesen Standort auf die Streichliste von 47 Häusern gesetzt hat und ihn zum 31. Januar 2024 schließen will.
In einer Menschenkette haben sie sich vor dem Eingang und dem großen Schaufenster im Center aufgestellt, fast jeder hält ein Pappschild vor der Brust. „Ohne uns ist das RNZ ein Geisterhaus“ oder „Galeria Viernheim muss weiterleben“, ist unter anderem darauf zu lesen. Ort und Zeit des Protests sind nicht zufällig gewählt. Denn an diesem Montag entscheidet sich die Zukunft des gesamten Unternehmens. In Essen tagt die Gläubigerversammlung, die über den von der Konzernleitung erarbeiteten Insolvenzplan abstimmen muss.
„Wir wollen eine klare Botschaft an die Unternehmensleitung senden, dass sie etwas tun muss und als Kostensenkungsprogramm nicht nur Personal abbauen kann“, ruft Horst Gobrecht durch ein Megafon. Der Gewerkschaftssekretär von Verdi Südhessen nimmt in seiner Ansprache neben der Konzernleitung die Eigentümer der Viernheimer Immobilie in die Pflicht. Denn anders als das RNZ, das von der Hamburger ECE betrieben wird, gehört das Kaufhausgebäude seinen Angaben zufolge der Familie Brenninkmeyer. Sie soll eine der reichsten Familien Europas sein und ist vor allem durch die von ihren Vorfahren gegründete Modekette C&A bekannt.
Forderung nach Modernisierung
Bisher habe die Familie eine Senkung der Miete abgelehnt. Gobrecht forderte außerdem Modernisierungen bei der Immobilie. Seit der Übergabe von Hertie an Karstadt vor 20 Jahren sei dort nichts Nennenswertes mehr investiert worden. Das sei jedoch wichtig - entweder für eine erfolgreiche Zukunft von Galeria oder für einen Nachmieter. „Sonst kann man diesen Schuppen kaum noch an andere vermieten“, so Gobrecht.
„Am Anfang sind viele Tränen geflossen“, berichtet Kerstin Kujau, die Betriebsratsvorsitzende der Filiale, über die ersten Tage, nachdem das Aus für Viernheim verkündet worden war. Doch jetzt wollen sie für den Standort kämpfen. „Die Mitarbeiter tun so viel, bringen Ideen ein, ihr Einsatz ist unermüdlich“, sagt Kujau. „Ich bin stolz, dass sie sich so einsetzen.“ Sie fordert ebenfalls: „Der Vermieter kann sich nicht ausruhen - Eigentum verpflichtet.“
Nun hoffen sie, über einflussreiche Personen, etwa aus der Politik, die Zukunft in Viernheim sichern zu können. Mit Bürgermeister Matthias Baaß sind sie schon im Gespräch, für den 12. April ist eine Bürgerversammlung geplant. Und die Galeria-Beschäftigten setzen auf die Unterstützung der Kunden: Im RNZ verteilen sie vorformulierte Briefe, in die die Kunden nur noch Name und Anschrift einfügen und sie an die Galeria-Geschäftsführung senden müssen. Darin ist gefordert, die Schließung in Viernheim rückgängig zu machen.
Insolvenzplan zugestimmt
Am Nachmittag teilt Galeria dann mit: Die Gläubigerversammlung hat dem Insolvenzplan zugestimmt. „Der Sanierungsplan und damit das Konzept vom Warenhaus der Zukunft geben Galeria Karstadt Kaufhof beste Chancen für eine Rückkehr in die Erfolgsspur“, wird Sanierungsexperte Arndt Geiwitz in der Mitteilung zitiert. „Entscheidend ist, dass es gleichermaßen zügig wie konsequent durch das Management und den Eigentümer umgesetzt wird.“ Sachwalter Frank Kebekus betont, dass eine Ablehnung des Insolvenzplans katastrophale Folgen für den Konzern gehabt hätte. Dann wäre die Schließung aller Filialen und die Kündigung aller Beschäftigten unvermeidlich gewesen.
Für die Gläubiger bedeutet der Schritt allerdings den Verzicht auf einen Großteil des Geldes, das ihnen der Warenhauskonzern noch schuldet. Insgesamt müssen die Lieferanten, Vermieter und sonstigen Gläubiger Medienberichten zufolge auf mehr als eine Milliarde Euro verzichten. Für mehr als 4000 der zuletzt rund 17 000 Mitarbeiter bedeutet die geplante Schließung von 47 Filialen den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Der Stellenabbau trifft auch die verbleibenden Warenhäuser. Viele sollen verkleinert werden. (mit dpa)
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