Ludiwghafen. BASF-Werksleiter Uwe Liebelt stellt Deutschland im Wettbewerb mit anderen Nationen ein schlechtes Zeugnis aus. Aufgrund einiger wichtiger Leistungskennzahlen (Bruttoinlandsprodukt, Inflation, Produktivitätszuwachs, Staatsverschuldung) kommt er zu dem Schluss: „Wenn Deutschland ein Unternehmen wäre, würde ich dringend eine Sanierung anraten.“ Das sagte er beim Hafenforum im Gesellschaftshaus der BASF, zu dem die Industrie- und Handelskammern (IHK) Pfalz und Rhein-Neckar eingeladen hatten.
"Gefühlt sind wir Exportweltmeister - und auch noch Fußballweltmeister"
Er wolle keine Verantwortung abschieben. Für Unternehmen gebe es jedoch Randbedingungen (Infrastruktur, Regulierungsanforderungen, Steuerbelastung, Energiekosten), die man nicht beeinflussen könne. Eine Flut an überbordender Regulierung übergieße sich über den Unternehmen. „Jede Regierung verspricht den Bürokratieabbau, das Gegenteil geschieht“, so Liebelt. Egal, welches Ranking man zur Attraktivität Deutschlands heranziehe: „Wir sind nur noch Mittelmaß, offensichtlich haben wir uns zu lange auf unseren Lorbeeren ausgeruht.“ Gefühlt sei Deutschland Exportweltmeister, das Land der Ingenieure, der Erfinder und Unternehmer. „Aber gefühlt sind wir auch noch Fußballweltmeister“. Die Abwanderung energieintensiver Industrieproduktionen ins Ausland „geschieht jetzt gerade“. Es befremde ihn, wenn einige Experten dies als notwendigen Strukturwandel bezeichneten. Der Umbau der europäischen Industrie sei richtig und wichtig, „aber wir dürfen sie nicht abbauen“.
Frühwarnsystem gegen Niedrigwasser
Leistungsfähige Wasserstraßen seien ein wichtiger Baustein der Wettbewerbsfähigkeit, so Liebelt. Weil der Rhein im Sommer immer häufiger wenig Wasser führt, hat die BASF als Reaktion auf das extreme Niedrigwasser im Sommer 2018 ein Schiff bauen lassen, das auch bei extremem Niedrigwasser noch etwa 800 Tonnen Ladung befördern kann (wir berichteten). Außerdem soll ein digitales Frühwarnsystem bis zu sechs Wochen im Voraus vor solchen Ereignissen warnen.
Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!
Mehr als 13 Millionen Tonnen Güter wurden im vergangenen Jahr in den Häfen Mannheim und Ludwigshafen umgeschlagen. Nicht nur für die hier angesiedelten Unternehmen, die 63 Prozent ihrer Güter exportieren, sind die Häfen deshalb von besonderer Bedeutung. Über ihre Funktion und die Weiterentwicklung der Häfen haben etwa 100 Personen aus Wirtschaft, Logistikbranche, Politik und Verwaltung beim Hafenforum diskutiert.
"Vieles ist liegengeblieben"
Für die Wasserstraßen fordert Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar, mehr Unterstützung: „Im Haushalt für 2023 wurden die Mittel für Wasserstraßen um 350 Millionen Euro gekürzt. Das passt nicht zum erklärten Ziel der Ampel, den Anteil des Binnenschiffs am Transportaufkommen zu erhöhen.“ Die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) gibt zu: „Vieles ist liegengeblieben.“ Von der Planung bis zur Umsetzung „dauert es zu lange“.
Ein Beispiel ist die geplante Vertiefung der Fahrrinne im Mittelrheintal. Dass das Vorhaben nicht vorangeht, ärgere ihn, sagt ihr baden-württembergischer Amtskollege Winfried Hermann. „20 Zentimeter ist ja nicht der ganze Rhein ausgebaggert“, so der Grünen-Politiker. „Ich kann den harten ökologischen Widerstand nicht nachvollziehen und akzeptieren."
Minister Hermann erteilt Wohnen im Hafen eine Absage
Die Häfen müssten wieder stärker ins Zentrum als zentrales Element moderner Logistik- und Transportwirtschaft gehoben werden. Eine Absage erteilt Hermann an die Begehrlichkeiten, Hafenflächen für Wohnraum zu nutzen: „Vom Wohnen im Hafen halte ich gar nichts. Schöner Wohnen, bitte woanders.“
Internationale Hafenschließungen wegen Corona-Lockdowns und dadurch gestörte Lieferketten haben in Wirtschaft und Gesellschaft Diskussionen darüber ausgelöst, wieder mehr in Deutschland und Europa zu produzieren. Doch Michael Schröder, Professor an der Dualen Hochschule in Mannheim, hält es nahezu für ausgeschlossen, dass die Wertschöpfung zurückkommt. Dafür seien die Lohnkosten (Bruttoverdienst und Lohnnebenkosten) mit 41,01 Euro pro Stunde in Deutschland viel zu hoch. Tschechien komme auf 12,50, Polen auf 9,20, China auf 6,96 und Mexiko auf 4,89 Euro. Dies seien keine Dumpinglöhne. „Alle Länder sind günstiger als wir“, sagt Schröder mit Blick auf die Lohnstückkosten, „deswegen kommt doch kein Mensch zurück.“
Transportkosten stark gesunken
Die Transportkosten für einen 40-Zoll-Container seien wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. „Die Distanz ist kein Grund mehr, nicht ins Ausland zu gehen, weil die Transportkosten keine große Rolle mehr spielen“, so Schröder. Die Idee, Transporte von der Straße auf die Wasserstraße zu bringen, hält er für „sinnlos“, da etwa 80 Prozent der Lkw-Transporte bis maximal 150 Kilometer reichen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-basf-werksleiter-stellt-deutschland-schlechtes-zeugnis-aus-_arid,2099199.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/firmen_firma,-_firmaid,20.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html