Mannheim. Niels Pörksen, erst seit Kurzem an der Spitze des Mannheimer Südzucker-Konzerns, erklärt im Interview seinen Führungsstil und warum er die Strategie nachschärft.
Herr Pörksen, wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Start bei Südzucker?
Niels Pörksen: Den Umständen entsprechend bin ich sehr zufrieden. Es war ursprünglich geplant, viele verschiedene Standorte zu besuchen, damit ich mich mit den Mitarbeitern auseinandersetzen kann – und sie sich mit mir. Wegen Corona hat das nur sehr bedingt funktioniert. Aber es gibt ja auch andere Wege.
Wie haben Sie trotz Corona Kontakt aufgenommen?
Pörksen: Über Telefon- und Videokonferenzen, aber auch über persönliche Treffen – auf Abstand mit weniger Leuten in größeren Räumen. Das Management schickt zudem Videobotschaften an die Mitarbeiter. Natürlich ist das alles kein Ersatz für persönliche Gespräche so wie früher, aber wir können miteinander kommunizieren. Das ist das Wichtigste.
Wie ist Ihr Eindruck?
Pörksen: Der Empfang war sehr offen. Ich will den Mitarbeitern erst genau zuhören, bevor ich eigene Entscheidungen treffe. Aus der Belegschaft gibt es unheimlich gute Ideen.
Welche Arbeitsweisen werden Sie nach der Corona-Krise beibehalten?
Pörksen: Die Arbeitsweisen bei Südzucker sind flexibler geworden. Zu Höchstzeiten waren 80 Prozent der Mannheimer Mitarbeiter im Homeoffice, jetzt sind es noch etwa 60 Prozent. Das funktioniert alles. Warum nicht auch in Zukunft flexibler arbeiten? Videokonferenzen klappen auch mit Kunden, man muss nicht immer vor Ort sein. Oft ist das sogar effektiver, weil die Reisezeit wegfällt. Dienstreisen lassen sich also durchaus effizienter gestalten. Das wird nun alles geprüft.
Sie haben sich vorgenommen, die Strategie von Südzucker „nachzuschärfen“. Was bedeutet das für die Organisation der einzelnen Segmente?
Pörksen: Bei Südzucker habe ich vier verschiedene Segmente vorgefunden: Zucker, Spezialitäten, Frucht und CropEnergies (Ethanol). Für jedes einzelne Segment ist klar, was es erreichen will und wie. Was aber nicht so klar ist: Wie passt das in eine übergreifende Konzernstrategie? Darüber machen wir uns momentan Gedanken.
Eine solche Strategie haben Sie also vermisst?
Pörksen: Ich habe sie nicht so deutlich gesehen. Natürlich gibt es eine Südzucker-Strategie, die können Sie auch nachlesen. Allerdings ist sie für mich noch nicht klar genug. Auch Mitarbeiter fragen sich, wie das große Bild aussieht, auf das wir zusteuern möchten.
Und wie sieht es aus? Sollen die Segmente stärker zusammenwachsen?
Pörksen: Sie sollen Südzucker gemeinsam als Konzern sichtbarer machen. Dabei kann bei einzelnen Themen sicher enger zusammengearbeitet werden. Die Segmente sollen aber ausdrücklich nicht miteinander verschmelzen. Das ergibt überhaupt keinen Sinn, dafür sind sie bei Produkten und Kunden viel zu unterschiedlich.
Das Segment Spezialitäten ist recht stark und hat zuletzt sogar das Kerngeschäft Zucker beim Umsatz überholt. Wird Zucker künftig nur noch Nebengeschäft?
Pörksen: Nein, ganz bestimmt nicht. Das ist die Identität des Unternehmens, der Mitarbeiter und der Aktionäre. Eine dringliche Aufgabe ist es jetzt, den Zucker nach zwei verlustreichen Jahren wieder aus den roten Zahlen zu holen. Es ist übrigens intelligent gewesen, dass sich Südzucker in den vergangenen Jahren mehrere Standbeine aufgebaut hat. Dadurch werden nach wie vor positive Ergebnisse geliefert, auch wenn das Kerngeschäft mal nicht so stark ist. Langfristig ist das natürlich kein Konzept, weil alle Segmente gute Ergebnisse liefern sollen.
Der Aktienkurs steht derzeit bei rund 13 Euro, genau so viel wie vor einem Jahr. Warum schaffen Sie es nicht, Anleger nachhaltig von Ihrer Strategie zu überzeugen?
Pörksen: Naja. . . das sehe ich anders. Corona verschiebt doch fast alles. Sie könnten fast bei allen Dax-Konzernen fragen: Warum glaubt kein Anleger mehr die Strategie? Die Unsicherheiten durch die Pandemie sind immens. Ohne Corona gebe es sicher einen Aktienkurs, der etwas anderes zeigt als im Moment – so wie vielleicht am Anfang dieses Jahres.
Südzucker will pro Jahr rund 130 Millionen Euro sparen. Wie kommen Sie voran?
Pörksen: Tatsächlich haben wir zuerst von 100 Millionen Euro gesprochen, die durch Werkschließungen, geringere Produktionsmengen und Einsparungen in der Verwaltung erreicht werden. Das ist auf einem guten Weg, auch wenn sich die Effekte erst verzögert in der Bilanz niederschlagen werden. Obendrauf kommen weitere 30 Millionen Euro, die sich sparen lassen. Über einen Stellenabbau laufen die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern. Details kann ich noch nicht nennen.
Können Sie wenigstens eine Größenordnung angeben, wie viele Arbeitsplätze in der Mannheimer Zentrale gefährdet sind?
Pörksen: Nein, das kann ich nicht. Das wäre nicht fair gegenüber den Mitarbeitern und Betriebsräten, mit denen wir gerade Gespräche führen. Wir wollen das so sozialverträglich wie möglich umsetzen.
Schon seit Monaten heißt es, die Gespräche liefen und es gebe noch keine Details. Warum dauern die Verhandlungen so lange?
Pörksen: Ich bin nicht sicher, ob das wirklich so ist. Wir wollen ja nicht nur Kosten herausnehmen. Es geht darum, gemeinsam mit dem Betriebsrat Lösungen zu finden, die Effekte auf einzelne Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten – und trotzdem ein positives Ergebnis zu erreichen. Das mag von außen so aussehen, als könnten wir uns nicht entscheiden. Aber das ist nicht so.
Wann ist denn nun mit Ergebnissen zu rechnen?
Pörksen: Sobald wir uns geeinigt haben.
Schließen Sie betriebsbedingte Kündigungen definitiv aus?
Pörksen: Auch das kann ich Ihnen sagen, sobald wir uns geeinigt haben.
Insgesamt werden fünf Werke dichtgemacht. Zwei in Deutschland, zwei in Frankreich, eines in Polen. Wie läuft die Abwicklung?
Pörksen: In der Regel wird jedes Werk zurückgebaut. Am ein oder anderen Standort werden höchstens noch Lagerkapazitäten und vorhandene Silos weiter genutzt. Ersatzteile und Maschinen werden zudem in andere Fabriken gebracht.
Was macht denn Ihr neuartiger Zucker, den Sie entwickeln wollen?
Pörksen: Der Zucker soll weniger Kalorien bei gleicher Süßkraft haben, das ist schon eine spannende Geschichte. Wann er auf den Markt kommt, kann ich nicht sagen – auch wegen unserer Wettbewerber. In der Nahrungsmittelindustrie kann jedenfalls niemand Schnellschüsse machen und ein neues Produkt einfach so auf den Markt werfen. Nach dem Motto: Hier ist der neuartige Zucker, probiert mal. Das muss ausgereift sein. Es hängen ja auch viele Investitionen bei Kunden dran, die den Zucker in ihren Produkten weiterverarbeiten.
Wo wird produziert? Kommt das Werk Offstein bei Worms zum Zug?
Pörksen: Offstein, dort befindet sich ja auch eine Forschungsabteilung, ist wie andere Standorte dafür im Rennen. Aber wo die Produktion letztlich angesiedelt sein wird, ist noch nicht beschlossen.
Fühlen Sie sich wohl in Ihrem neuen Büro?
Pörksen: Mein Blick aus dem Fenster über Mannheim ist spektakulär. Ich sehe die SAP Arena und sogar den Odenwald. Ansonsten habe ich eine Menge Arbeit mit vielen Terminen und Mitarbeitergesprächen. Klingt langwierig, ist aber sehr effektiv, wenn am Ende alle an derselben Idee arbeiten. Es ist immer geboten, ganz genau darauf zu hören, was die Mitarbeiter zu sagen haben.
Promovierter Agrarexperte
- Niels Pörksen, 57 Jahre alt, stammt aus Lübeck (Schleswig-Holstein).
- Er ist verheiratet, hat vier Kinder und wohnt in der Pfalz.
- Der promovierte Agrarwissenschaftler führt Europas größten Zuckerhersteller seit März.
- Zuvor hat Pörksen bei BASF, Nordzucker und Nufarm in verschiedenen Funktionen und Ländern gearbeitet.
- In seiner Freizeit versucht der Familienmensch, sich durch Schwimmen, Fahrradfahren und Laufen fit zu halten.
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