Walldorf. Im Ringen um IT-Mitarbeiter will die SAP künftig noch stärker auf Autisten setzen. Deshalb finde in Walldorf heute erstmals ein Bewerbertag für IT-affine Menschen aus dem autistischen Spektrum statt, zu dem mehr als 100 Interessenten erwartet würden, sagte Stefanie Lawitzke, die das Projekt Autism at Work in Deutschland bei SAP leitet, gestern. "Wir haben gute Erfahrungen mit autistischen Kollegen gemacht und derzeit zahlreichen Stellen ausgeschrieben". Gesucht würden hauptsächlich Programmierer, Spezialisten für Datenbanken und Mitarbeiter für die Qualitätssicherung. "Viele Menschen mit einer Autismusdiagnose zeichnet eine Liebe zur IT aus", begründet Lawitzke den Vorstoß. "Sie haben ein Auge für Details und - wenn es ihr fachliches Interesse trifft - können sie auch bei Routineaufgaben konzentriert bleiben und Fehler finden, die anderen durchgehen".
Schon 2013 hatte sich SAP daher das Ziel gesetzt, bis 2020 ein Prozent der weltweit rund 75 000 Stellen von Autisten zu besetzen. Schätzungen zufolge leidet in der Bevölkerung etwa der gleiche Anteil an einer solchen Störung. Die meisten von ihnen arbeiten in Behindertenwerkstätten. Nur rund fünf Prozent sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt untergekommen.
Bei SAP sind es weltweit bislang gut 100, rund 20 in Deutschland: Hauptsächlich leiden sie am sogenannten Asperger-Syndrom, das als leichtere Autismus-Form gilt. Diese Menschen seien in der Regel normal, teilweise auch überdurchschnittlich intelligent, wie Friedrich Nolte vom Verband Autismus Deutschland erklärt. Manchmal wiesen sie außergewöhnliche Leistungen in Teilbereichen auf, etwa im Rechnen oder Erinnerungsvermögen.
"Kein Blickkontakt"
Auf der anderen Seite seien aber auch "Schwächen im sozialen Umgang charakteristisch", so Nolte: "Asperger-Autisten nehmen zum Beispiel keinen Blickkontakt auf", sagte er. Es falle ihnen auch schwer Mimik und Gestik des Gegenübers zu verstehen und zwischen den Zeilen zu lesen. "Redewendungen nehmen sie oft wörtlich", was leicht zu Missverständnissen führe: "Asperger-Autisten brauchen daher klare Strukturen und Arbeitsabläufe ", erklärt eine Sprecherin des Integrationsamtes Karlsruhe, das Arbeitgeber unterstützt, die behinderte Menschen einstellen wollen.
Darauf hat sich auch die SAP eingestellt: "Natürlich werden die Vorgesetzten und Teamkollegen der autistischen Mitarbeiter bei uns speziell sensibilisiert, die Kommunikation soll so klar und direkt wie möglich laufen", so Lawitzke. Aufgaben mit direktem Publikumsverkehr würden wegen der typischen Kontaktscheue der Autisten in der Regel vermieden oder einfach umgangen. "Wir beschäftigen beispielsweise heute Kollegen mit einer Autismusdiagnose sogar im Support. Dort bearbeiten sie Kundenanfragen aus aller Welt - über ein schriftliches Meldesystem".
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