Mannheim/Walldorf. Erste Unternehmen wie SAP und die Deutsche Bank führen wieder strenge Regeln für die Präsenz im Büro ein. Aus Sicht des ehemaligen SAP-Deutschland-Personalchefs Cawa Younosi ist das oft nicht durch betriebliche Gründe gerechtfertigt. „Ich halte den Zwang zu Präsenzarbeit für das Gegenteil von Kultur“, sagte Younosi dem Wirtschaftsmagazin "Capital". „Aus meiner Sicht ist es ein Versuch, Kontrolle zurückzugewinnen, um wirtschaftliche Ziele zu erreichen.“
„Mit dem Vorschlaghammer strikte Regeln durchzusetzen“, bringe allerdings nichts. Er vermutet hinter den Präsenzregeln „ein Mittel zum kalten Personalabbau“, da durch Bürozwang Mitarbeiter vergrault würden. Allerdings würden vor allem die Leistungsträger gehen. „Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn eigentlich wollen diese Unternehmen mit Bürozwang angeblich genau das: mehr Performance“, sagt Younosi "Capital".
Younosi war 14 Jahre beim Softwarekonzern SAP, den Großteil davon als Personalchef in Deutschland, und führte dort bereits 2018 das Homeoffice ein – „vollkommen frei, also an bis zu fünf Tagen in der Woche. Das hat sehr gut funktioniert“, sagte der Manager, der mittlerweile Geschäftsführer beim Verein Charta der Vielfalt in Berlin ist.
SAP will Präsenz im Büro an drei Tagen die Woche
Tatsächlich sorgt der Umgang mit Homeoffice momentan für heftige Diskussionen bei SAP. Das Management um Christian Klein will die Beschäftigten wieder häufiger im Büro sehen – an mindestens drei Tagen die Woche.
Beträchtliche Teile der Belegschaft sind davon wenig begeistert. So kursierte in Walldorf ein Protestschreiben aus den Reihen des Europäischen Betriebsrats, das offenbar mehrere tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschrieben hatten. In teils drastischen Worten hieß es darin: „SAP, wie wir es kannten, ist vorbei.“ Viele Beschäftigte schauten sich sogar nach einem neuen Job um. Weiter heißt es: „Wir fühlen uns von einem Unternehmen verraten, das uns bis vor Kurzem dazu ermutigt hat, von zu Hause zu arbeiten.“
Die neue Regelung hatte der Walldorfer Softwarekonzern Anfang Juni festgesetzt. Brisant dabei: Es gab bis dahin keine Einigung mit den Betriebsräten über eine neue Vereinbarung zum mobilen Arbeiten. SAP ist der Ansicht, dass „die grundsätzliche Bemessung des Kontingents an mobiler Arbeit nicht der Mitbestimmung unterliegt“, sondern lediglich deren Ausgestaltung. Die Arbeitnehmervertretung hingegen sieht das anders – und ist gerichtlich dagegen vorgegangen.
Vor dem Arbeitsgericht Mannheim schlossen beide Seiten Anfang Juli einen Vergleich. Er sieht vor, dass eine Einigungsstelle – eine Art „betriebliches Schiedsgericht“ – endgültig klären soll, wie oft SAP-Beschäftigte pro Woche von zu Hause aus arbeiten dürfen. Bis eine Entscheidung in der Einigungsstelle gefallen ist, duldet der Betriebsrat die Vorgabe von SAP, dass Mitarbeiter zwei Tage in der Woche mobil arbeiten können.
Im Interview mit "Capital" kritisierte Younosi auch CDU-Chef Friedrich Merz, der mehr Leistungsbereitschaft fordert. „Ich wette, dass niemand, der das behauptet, eine Erhebung darüber hat, wie produktiv Menschen zu Hause arbeiten“, sagt Younosi. „Solche Aussagen beruhen in der Regel auf Anekdoten, Bauchgefühl und Vorurteilen.“
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