Arbeitszeitenaffäre - Mannheimer Amtsgericht stimmt Antrag zu / Langjähriger Mitarbeiter rückt nach

Ehemaliger SAP-Betriebsratsvorsitzender muss auch den Aufsichtsrat verlassen

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Alexander Jungert
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Blick auf den Stammsitz von SAP in Walldorf. © dpa

Walldorf. Ein spektakulärer Fall geht zu Ende: Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der SAP SE wird per Gerichtsbeschluss aus dem Aufsichtsrat des Softwarekonzerns abberufen. Folgend die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Was steckt hinter der Geschichte?

Im Sommer wurde dem Betriebsratsvorsitzenden der SAP SE außerordentlich gekündigt. Er soll einem Kollegen dabei geholfen haben, Mauscheleien bei Arbeits- und Urlaubszeiten zu verschleiern. Das Unternehmen warf ihm vor, „in mehrfacher Weise eine Aufklärung erschwert, Indiztatsachen unterdrückt und dabei versucht (zu haben), die Ermittlung der Wahrheit zu verhindern“, wie es in einem internen Bericht heißt. Der Mann saß allerdings nach wie vor im Aufsichtsrat von SAP – er hielt ein Mandat über den Deutschen Bankangestellten-Verband (DBV), einer Branchengewerkschaft.

Warum hat der Aufsichtsrat letztlich den Antrag zur Abberufung gestellt?

SAP hob in dem internen Bericht hervor, dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar sei. Der Mann wollte sein Mandat aus freien Stücken aber offenbar nicht niederlegen. Anfang August hatte ihn der Deutsche Bankangestellten-Verband sogar noch verteidigt.

Was sagt der Betroffene zu den Vorwürfen?

Vor dem Arbeitsgericht Mannheim wehrt er sich gegen seine Kündigung. Anfang Dezember wird verhandelt. Der Anwalt des ehemaligen Arbeitnehmervertreters sagte bei einem Gütetermin, sein Mandant habe Eingriffe in bestimmte Dokumente eingeräumt. Aber er habe diese wieder rückgängig gemacht und sich mehrfach entschuldigt. „Es gab einen sehr ernsthaften Willen, an der Aufklärung mitzuwirken.“

Ist gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eine Beschwerde möglich?

Ja. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, eine Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe innerhalb eines Monats ist möglich. Auf der Internetseite hat SAP den Betroffenen am Freitag schon von der Liste der Aufsichtsratsmitglieder gestrichen.

Wie viel Geld erhält das ehemalige Aufsichtsratsmitglied für seine Arbeit?

Was ihm für 2021 zusteht, ist erst bekannt, wenn der Geschäftsbericht im Frühjahr veröffentlicht wird. Im Jahr 2020 hat der Mann jedenfallsrund 200 000 Euro für seine Mitgliedschaft im SAP-Aufsichtsrat bekommen.

Wer tritt die Nachfolge im Aufsichtsrat an?

Der langjährige SAP-Mitarbeiter Helmut Stengele, nach Informationen dieser Redaktion mittlerweile im Vorruhestand, soll den vakanten Posten übernehmen. Als Presales Manager unterstützt er den Vertrieb. Stengele, gelernter Werkzeugmacher und studierter Maschinenbauer, ist seit dem Jahr 2014 Arbeitnehmervertreter.

Welche Auswirkungen hat die Arbeitszeitenaffäre auf den SAP-Stammsitz Walldorf?

Die Arbeitnehmervertretung bei SAP will verloren gegangenes Vertrauen in der Belegschaft wieder zurückholen. Klaus Merx, neuer Betriebsratsvorsitzender der SAP SE, hatte die Vorgänge zuletzt als „sehr ärgerlich“ bezeichnet. „Individuelles Fehlverhalten sollte nicht länger die Sicht auf die gute Arbeit des 43-köpfigen Gremiums verdecken.“ Im nächsten Frühjahr sind Betriebsratswahlen bei SAP. Sie dürften spannend werden – zumal im Gremium der SE Listen wie „Stark“ die Mehrheit stellen, die keiner größeren Gewerkschaft nahestehen. Die IG Metall und Verdi haben nur einen kleinen Teil der Sitze im Betriebsrat, der ohnehin seit jeher umstritten ist.

Gibt es Reaktionen auf die Abberufung?

Die IG Metall Heidelberg äußert sich kritisch zu den Ereignissen der vergangenen Monate. Diese hätten „deutlich gemacht, dass für die Ausübung eines Aufsichtsratsmandats nicht aufgrund der hohen Tantiemen erfolgen darf“, teilt Gewerkschaftssekretär Türker Baloglu mit. „Unsere Motivation als IG Metall für die Inanspruchnahme von Aufsichtsratssitzen ist die konsequente Vertretung der Beschäftigteninteressen.“ Tantiemen würden größtenteils in Stiftungen abgeführt.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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