Berlin/Rhein-Neckar. Nach der Rücknahme der heftig gescholtenen Gasumlage prüft die Bundesregierung jetzt das Alternativmodell ihrer Expertenkommission. Wie lassen sich die Energierechnungen von Verbrauchern und Wirtschaft im Winter in einigermaßen erträglichem Rahmen halten? Noch ist das neue Konzept aus Abschlagsübernahme und Preisbremse politisch nicht beschlossen - aber schon zur Erstattung der zurückgezogenen Umlage gibt es unter Versorgern verschiedene Vorgehensweisen. Verbraucherschützer empfehlen, genau hinzuschauen.
Die gekippte Gasumlage
Kurz vor ihrem geplanten Inkrafttreten am 1. Oktober wurde die Gasbeschaffungsumlage abgeblasen. Doch da hatten manche Versorger längst begonnen, ihre Kunden über die Mehrkosten zu informieren und das Geld einzuziehen.
Die Abgabe sollte zunächst verwendet werden, um große Gaseinkäufer zu stützen, die wegen der enorm gestiegenen Weltmarktpreise seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Schieflage geraten waren. Vor allem die Rettung von Uniper mit Steuermilliarden verschärfte allerdings die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umlage. Einige Gasversorger konnten in der Kommunikation mit Verbrauchern und der Anpassung ihrer Kalkulationen nicht so schnell auf das Hin und Her der Politik reagieren. In der Folge gibt es nun ein Sammelsurium unterschiedlicher Abrechnungsmodi.
Nicht erheben oder erstatten
Etliche Unternehmen hatten darauf verzichtet, die Umlage schon vorab zu kassieren beziehungsweise in die Abschlagspläne einzubeziehen. Dies trifft etwa auf die Energie Baden-Württemberg (EnBW) zu, wie ein Sprecher mitteilte - deshalb müsse nichts zurückerstattet werden. Auch das Stadtwerk Tauberfranken teilte mit: „Trotz der sehr kurzfristigen Entscheidung zwei Tage vor dem geplanten Einführungstermin konnte das Stadtwerk Tauberfranken die Erhebung der Gasumlage stoppen.“ Die Pfalzwerke in Ludwigshafen ließen die Umlage ebenfalls weg. Ebenso ist es bei Enercity in Hannover. „Wir hatten die Umlage angekündigt, aber berechnen sie jetzt nicht“, sagte Chefin Susanna Zapreva, Mitglied der Gaspreiskommission des Bundes.
Die Mannheimer MVV teilte mit, dass sie den Wegfall Gasbeschaffungsumlage rückwirkend ab 1. Oktober umsetze. Der Darmstädter Versorger Entega und die Bensheimer GGEW erklärten, die Gaspreise für die Kundinnen und Künden würden automatisch um die Kosten der ursprünglich geplanten Gasbeschaffungsumlage gesenkt. Konkret bedeute dies für Entega-Kunden, dass der Arbeitspreis zum 1. November um 2,419 Cent je Kilowattstunde reduziert werde - das entspricht der Höhe der ursprünglich angekündigten Gasumlage. Bisher sei die Umlage noch nicht erhoben worden. „Auf ein neues Preisanpassungsschreiben für die einzelnen Kundinnen und Kunden verzichtet das Unternehmen“, hieß es. Man werde Kunden zudem umgehend über die zu Wochenbeginn vorgeschlagenen Entlastungen informieren, sobald diese konkretisiert würden.
Die Mehrwertsteuer-Senkung
Bis Ende März 2024 sollen für Gas nur 7 statt 19 Prozent erhoben werden, um den Kunden zusätzliche Entlastung zu bringen. Bei EnBW ist dies „jetzt schon ausgewiesen“. Manche Versorger wie Rheinenergie warten noch den letzten Schritt des gesetzgeberischen Vollzugs ab: „Es ist alles vorbereitet, die gesenkte Mehrwertsteuer umgehend weiterzugeben, sobald sie im Bundesanzeiger veröffentlicht ist.“ Auch die Pfalzwerke wollen bis zur Gesamtschau warten. MVV in Mannheim will die Steuersenkung ebenso umsetzen wie Entega und GGEW.
Anreize zum Energiesparen
Eine staatlich finanzierte Preisdämpfung könnte diejenigen, die es sich leisten können, sogar zum Verbrauch von mehr Energie anregen. Dies ist gefährlich, soll eine Gasnotlage im Winter abgewendet und gleichzeitig das Klima nicht über Gebühr belastet werden. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnte kürzlich im Rückblick auf Ende September: „Der Gasverbrauch ist zu stark angestiegen“ - sogar über den Durchschnittsverbrauch der Vorkriegsjahre. Die Versorger müssen ihren Kunden daher auch eigene Einspartipps geben und sie über Minderungspotenziale aufklären. Etwa darüber, welchen Spareffekt eine geringere Raumtemperatur hat.
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Was Verbraucherschützer sagen
Das Vorkassieren der Umlage war bereits auf Kritik gestoßen, denn die Kunden geben ihren Versorgern damit de facto einen verkappten Kredit. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) äußerte Verständnis, dass Anbieter nach dem Zickzackkurs der Regierung einige Zeit brauchen, um die ständigen Veränderungen in der Verwaltung und Abrechnung zu verdauen.
Es könne aber nicht sein, dass das zu erstattende Geld lange auf den Konten der Versorger bleibe, warnte der vzbv. Man erwarte, dass die Unternehmen jedenfalls nicht bis zum Jahresende warteten. Die Kunden sollten ihre nächsten Abrechnungen detailliert durchgehen. Auch die Mehrwertsteuer-Senkung müsse so rasch wie möglich eingepreist werden.
Ausblick auf die Gaspreisbremse
Im Dezember soll der Staat für die Verbraucher laut Kommissionsvorschlag eine Einmalzahlung auf Basis des Abschlags zum September-Verbrauch leisten. Der zeitliche Bezug soll verhindern, dass der Konsum im Winter extra hochgetrieben wird, um mehr Unterstützung zu erhalten. Möglichst ab März soll dann die eigentliche Preisbremse für Haushalte und kleine Firmen greifen: Für 80 Prozent des Verbrauchs aus dem September 2022 wird ein Grundkontingent zu zwölf je Kilowattstunde übernommen. Darüber hat der deutlich höhere vertragliche Arbeitspreis Bestand. Wie genau sie dieses zweistufige Modell in ihre Abrechnungspraxis übertragen sollen, ist bei vielen Versorgern noch unklar. EnBW erklärte: „Sobald die Vorschläge konkret ausgestaltet und gesetzlich verankert sind, wird die EnBW diese in der Preisgestaltung berücksichtigen.“
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