Übernahme - Traditionssparte von Bilfinger geht an Schweizer Baukonzern Implenia / Mannheimer Achatz an Management verkauft

Erleichterung über Trennung

Von 
Michael Roth
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In der Bilfinger-Zentrale in Mannheim wird die Neuausrichtung vorangetrieben. Gestern wurde die Traditionssparte Ingenieurbau verkauft. Künftig will sich der Konzern auf Dienstleistung konzentrieren.

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Mannheim. Der Mannheimer Dienstleistungs- und Baukonzern Bilfinger kappt endgültig seine Wurzeln und es herrschte allenthalben Erleichterung über den neuen Eigentümer. Gestern wurde die Bilfinger-Sparte Ingenieurbau an den Schweizer Baukonzern Implenia verkauft. Von Kennern wird Implenia als solides, typisch schweizerisches Unternehmen mit Tradition charakterisiert. Unter den Mitarbeitern der Ingenieurbausparte von Bilfinger war Durchatmen eine weit verbreitete Reaktion. Nun herrsche endlich Klarheit über die Zukunft, war zu hören.

Nachdem Bilfinger schon vor Jahren den Wandel vom Bau- zum Dienstleistungskonzern eingeleitet hatte, war die Verunsicherung zuletzt unter den Beschäftigten groß. Jetzt, da man bald zu einem klassischen Baukonzern gehöre, sei die Zukunft vorhersehbarer geworden, hieß es. Implenia, das auf 150 Jahre Bautradition zurückblickt (Umsatz: 2,6 Milliarden Euro, 6900 Mitarbeiter) und die Bausparte von Bilfinger (650 Millionen Euro Umsatz, 1850 Mitarbeiter) haben in den letzten 15 Jahren zusammen mehrere Großprojekte abgewickelt, darunter den Gotthard-Basistunnel und Eisenbahnprojekte in der Schweiz.

Auch Reiner Knerler, Bilfinger-Aufsichtsrat von der Gewerkschaft IG Bau, hält Implenia für eine gute Lösung. Mit den Schweizern habe man gute Erfahrungen, die Unternehmenskultur sei gut, sie seien in Deutschland kaum vertreten, es gebe also wenige Synergien, die zulasten von Arbeitsplätzen gehen könnten, zählt er auf. Die Arbeitsplätze seien, ebenso wie die deutschen Standorte, bis Mitte 2015 gesichert. "Wir arbeiten an einer Verlängerung", sagt Knerler. Für die Arbeitsverträge der Mitarbeiter ändere sich nichts. Ein neuer Tarifvertrag sei auch schon in Arbeit. "Ein Personalabbau ist nicht angedacht", sagte Implenia-Chef Anton Affentranger der Nachrichtenagentur Reuters. "Bilfinger ist da tätig, wo wir nicht stark vertreten sind."

In gute Hände gegeben

"Der Abschied vom langjährigen Traditionsgeschäft ist uns nicht leicht gefallen", sagte Bilfinger-Konzernchef Herbert Bodner. Umso erfreulicher sei es, dass man mit Implenia eines der renommierten Bauunternehmen in Europa als Käufer gefunden habe. Er sei sicher, den Ingenieurbau in gute Hände zu geben. Im neuen Konzernverbund gebe es sehr gute Entwicklungsperspektiven.

Nicht an Implenia verkauft wird das Mannheimer Traditionsunternehmen Achatz. Es gehörte seit 1987 (vormals Gebrüder Achatz) zu Bilfinger und wurde vor wenigen Wochen vom Management übernommen. Achatz beschäftigt in Mannheim 186 Mitarbeiter und hat Niederlassungen bei Karlsruhe und in Heilbronn. Achatz war als mittelständisch und regional geprägtes Bauunternehmen immer eine Art Exot im Bilfinger-Konzern, der vorwiegend mit Großprojekten wie Brücken, Hochstraßen oder Tunnel sein Geschäft machte.

Auch hier herrschte Erleichterung in der Belegschaft nach dem Eigentümerwechsel. "Wir wissen jetzt, wie unsere Zukunft aussieht, und können uns darauf konzentrieren", sagte Geschäftsführer Thomas Schröder dieser Zeitung. Die Trennung von Bilfinger sei in der Belegschaft "positiv aufgenommen worden". Achatz wurde im Bilfinger-Konzern in den letzten Jahren mehrfach in andere Strukturen einsortiert. Aktuell berichtet Geschäftsführer Schröder von einem stabilen Geschäftsjahr 2014 mit schwarzen Zahlen. "Wir sehen positiv in die Zukunft", sagt er. Große Achatz-Kunden sind die Nahverkehrsgesellschaft RNV, der Energieversorger MVV, der Zewa-Hersteller SCA, die BASF und die Stadt Mannheim.

In der Region sind vom Verkauf der Ingenieurbausparte rund 300 Mitarbeiter betroffen. Zwei größere Einheiten haben ihren Sitz im vorderpfälzischen Bobenheim-Roxheim (200 Beschäftigte, Vorspanntechnik und Schalungsbau). Gesteuert wird das Ingenieurbau-Geschäft vom Standort Wiesbaden aus. In der Mannheimer Zentrale hat der Bereich keine Mitarbeiter. Insgesamt wechseln 1900 Mitarbeiter zu Implenia, davon 1200 in Deutschland.

Börse begrüßt neuen Eigentümer der Bilfinger-Sparte

Die Übernahme lässt sich Implenia unter dem Strich rund 60 Millionen Euro kosten, Bilfinger erwartet einen Veräußerungsgewinn in niedriger zweistelliger Millionenhöhe.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Die Bilfinger-Aktie legte um 0,8 Prozent zu, die Implenia-Papiere gewannen 2,5 Prozent.

Bilfinger steckt in einer Krise und erwartet nach vier Gewinnwarnungen in diesem Jahr den ersten Jahresverlust seit 1998. Dennoch hält der Konzern an der Strategie fest, sich auf das Dienstleistungsgeschäft mit Kunden aus der Energiebranche und der Industrie sowie Immobilienservices zu konzentrieren. rtr

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