Rhodos. Von den Flammen angekohlte Baumskelette, kahle Flächen und die Überreste einer abgebrannten Beachbar: Knapp drei Wochen nach dem verheerenden Waldbrand auf der griechischen Insel Rhodos findet man noch immer Spuren davon. Aber das Erstaunliche ist: Das meiste funktioniert wieder. Und vor allem: Die Urlauber sind zurück.
25 000 Menschen mussten Ende Juli ihre Häuser oder Hotels verlassen, die Hälfte davon Touristen. „1402 waren es bei mir“, sagt Stavos Vlachos und ergänzt: „Diese Zahl werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen.“ So wie dem General Manager des Hotels Mitsis Rhodos Maris, geht es vielen, wenn sie an die Tage im Juli denken.
Schock um Mitternacht
Es waren dramatische Tage, wie Lefteris Laoudikos erzählt. Der Juniorchef des familiär geführten Hotels Ekaterini in Kiotari erhielt samstags mittags noch einen Anruf der Behörden, dass sein Haus ein sicherer Punkt sei und deshalb Menschen hier untergebracht werden sollten. Gemeinsam mit seinem Cousin Petros kümmerte er sich um die vor dem Feuer in Sicherheit gebrachten Landsleute und Gäste.
Doch um Mitternacht dann der Schock. Der auf dem Berg mit dem wohlklingenden Namen Prophet Elias ausgebrochene Flammensturm änderte seine Richtung, auch das Ekaterini musste geräumt werden. Die eigenen Gäste nahm der Inhaber zum Teil mit in sein Privathaus, andere wurden von Polizei und Rettungskräften geleitet.
„Tagsüber waren wir noch am Strand, Rettungsschwimmer haben uns dann zurück ins Hotel geschickt“, erinnert sich Anette Mayer aus Bonn, die mit Mann und zwei Kindern ihren Sommerurlaub dort verbrachte. Obwohl der Strom bereits ausgefallen war, wurden die Hausgäste und die vor dem Feuer Geflüchteten bekocht. „Die haben sich super um uns gekümmert.“
"Das waren kriegsähnliche Zustände"
Das bestätigt auch Marita Meierdiercks aus Bremen, die schon seit sieben Jahren im Sommer hier Urlaub macht. Trotzdem steht sie immer noch unter dem Eindruck der Brände und der Flucht: „Das hängt uns immer noch nach, ich kann nachts schlecht schlafen.“ Als klar war, dass das Hotel evakuiert wird, verließen sie den Ort mit ihrem Leihwagen: „Das waren kriegsähnliche Zustände“, berichtet sie, erinnert sich an Menschen, die mit Koffern in der Hand in langen Konvois zu Fuß flüchteten.
Nach einer Nacht unter freiem Himmel fanden Marita und ihre Begleiter Unterschlupf im Haus von Stella Laoudikos, der Gründerin des Hotels Ekaterini, in Rhodos Stadt im Norden der Insel. Während sich Sohn Lefteris um die Urlauber kümmerte, hielten Vater und Cousin Brandwache am Hotel. Zum Glück. Denn tatsächlich kamen die Flammen in der Nacht bis vor das Hotel, verbrannten die Pflanzen davor und zogen dann daran vorbei über einen bewaldeten Hügel und hinunter ans Meer.
Die allermeisten Häuser in dem Ort Kiotari sind unversehrt. Das grenzt schon fast an ein Wunder. Glück im Unglück war tatsächlich der Wind, wie immer wieder zu hören ist. Er hat die Flammen relativ schnell durch den südöstlichen Teil der Insel getrieben. Wenn sie nicht sofort Bäume, Pergolen oder andere Holzbauten entzünden konnten, zogen sie weiter.
Nur ein Haus abgebrannt
„Es war die größte Evakuierung in der Geschichte Griechenlands“, sagt Giorgos Hatzimarkos, Gouverneur der aus etwa 200 Inseln bestehenden Provinz Dodekanes, in seinem Palast in Rhodos-Stadt. Zwölf von 43 betroffenen Orten habe man evakuiert, nur ein einziges richtiges Haus sei Opfer der Flammen geworden. „Wir haben hunderte von Bränden im Jahr“, ergänzt der Bürgermeister Antonis Kampourakis: „Die meisten werden sofort gelöscht, innerhalb von 90 Minuten.“
Nach Covid sei dieser Waldbrand seit 2020 die zweite große Herausforderung für die Insel, erklärt der Gouverneur. Moderne Technik könne helfen, sagt er: „Aber es gibt keine absolute Sicherheit.“ Der Klimawandel mache die Bekämpfung der Brände schwierig. Tagelang hatten Temperaturen von über 40 Grad geherrscht. Ein Problem sind zudem die Pinien und Eukalyptusbäume, die reich an Harz sind und deshalb brennen wie Zunder. Studien sollen nun klären, welche Bäume besser und feuerresistenter sind. Außerdem sind vegetations-freie Zonen rund um die Orte geplant, wie der Gouverneur sagt.
Tourismus ist überlebenswichtig
Die Region lebt fast ausschließlich vom Tourismus, sieht man einmal vom Export von landwirtschaftlichen Produkten wie Olivenöl, Wein und Südfrüchten ab. Und so steht die Sorge um die Urlauber an erster Stelle. Am ersten Tag nach den Waldbränden waren 41 Hotels geschlossen, drei Tage später nur noch zwei, berichtet der Gouverneur: „Weniger als eine Woche später lief alles wie immer.“ Eine funktionierende Insel sei die wichtigste Unterstützung für die Geschäfte und Gastronomen.
Wie der Staat den Opfern hilft? – Man habe eine Kommission gebildet, die sich um alles kümmert und jetzt auch den Papierkram erledigt. Als Sofortmaßnahme müssten die Einheimischen sechs Monate lang keine Steuern zahlen. Und für die Urlauber, die ihren Aufenthalt wegen der Brände abbrechen mussten, soll es eine Woche gratis geben.
Gratiswoche kommt gut an
Eine nette Geste, findet die bekennende Griechenland-Freundin Anette Mayer aus Bonn. „Das würden wir natürlich nutzen“, gesteht sie. Aber wiederkommen will sie auf jeden Fall nach Rhodos: „Wir wollen die Tourismusbranche unterstützen.“ Marita Meierdiercks will vielleicht sogar noch dieses Jahr erneut hinfliegen, um mit dem traumatischen Erlebnis abzuschließen und den Menschen in Rhodos unter die Arme zu greifen.
„Manche haben angerufen und gebucht, um uns zu unterstützen, obwohl sie dieses Jahr gar keinen Urlaub mehr machen wollten“, freut sich Hotelmanager Stavos Vlachos über die Treue der Urlauber zu der Insel, auf die auch der Gouverneur und der Bürgermeister von Rhodos setzen.
Kurz nach dem Feuer gab es eine Welle der Stornierungen, wie Oliver Große-Kleimann, der Direktor des Hoteleinkaufs des Reiseveranstalters Alltours, berichtet. Doch dann lockten die Veranstalter mit Dumpingpreisen auf die Insel. „Da gab es teilweise Flüge von 40 bis 70 Euro“, verrät er. Und schon lief das Geschäft wieder.
Zurück ins Paradies
Dass die griechischen Inseln, vor allem Rhodos, so beliebt sind, liegt ohne Zweifel nicht zuletzt an der großen Gastfreundschaft, die Lefteris Laoudikos über alles geht. „Das war unser Wald“, erklärt Laoudikos und zeigt auf den abgebrannten Hügel hinter seinem Hotel. Von Verzweiflung keine Spur. Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat er das Feld geräumt und neue Bäume gepflanzt, diesmal die richtigen, wie er sagt. Denn sie sollen auch der Klimakrise trotzen.
5000 Pflanzen haben sie innerhalb weniger Tage in die Erde gebracht. Würde man nicht die verkohlten Stämme im Hintergrund sehen, man würde nicht glauben, dass es hier kurz zuvor so ein vernichtendes Feuer gegeben hat. „Das war ein Paradies hier“, sagt Laoudikos: „Und das soll es auch wieder werden.“
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[1] https://ekaterini-hotel.com/
[2] https://www.in-griechenland.de/Insel_Rhodos_Profitis-Ilias.html
[3] https://www.pnai.gov.gr/
[4] https://www.alltours.de/