Paris. Wer hätte das gedacht, an jenem denkwürdigen Abend im April 2019, als die Kathedrale Notre-Dame, das Zentrum und Wahrzeichen von Paris, brannte? Als dunkle Rauchschwaden in den Himmel aufstiegen und Millionen Menschen vor Ort oder vor ihren Fernsehern sich bange fragten, ob das 850 Jahre alte Monument dem Flammeninferno überhaupt standhalten würde? Fünfeinhalb Jahre später öffnete die Kathedrale am Samstag wieder ihre Türen.
Bilder vom spektakulär restaurierten Innenraum, von den weißen Wänden und perfekt wiederhergestellten Wölbungen, waren schon vorab bekannt geworden, bei einem letzten Besuch der Baustelle von Präsident Emmanuel Macron eine Woche zuvor.
Als erste offizielle Gäste konnten nun knapp 3000 geladene Gäste – unter ihnen rund 40 Staats- und Regierungschefs sowie Monarchen und Prominente aus der ganzen Welt – die Meisterleistung derjenigen, die das Bauwerk wieder hergestellt, persönlich bewundern. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mitsamt seiner Ehefrau Elke Büdenbender oder auch Großbritanniens Thronfolger Prinz William kamen etliche europäische Regierende, aber auch Elon Musk, Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj.
Abgesagt war der Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Tag zuvor das EU-Mercosur-Abkommen unterschrieben hatte, gegen das der französische Präsident bis zuletzt vehement Widerstand geleistet hatte. Ihre „Ausladung“, offiziell aus terminlichen Gründen, offenbarte Macrons zentrale Rolle bei der Wiedereröffnung der Kathedrale und den Feierlichkeiten. In seiner feierlichen Rede rühmte er diese als das Resultat der „Brüderlichkeit eines Volks, das entschlossen ist, große Entscheidungen zu treffen“. Es habe „das Unmögliche umgesetzt“ und „beschlossen, die Kathedrale noch schöner als vorher aufzubauen“.
Mehr als 840 Millionen Euro kamen aus Spenden zusammen
Tatsächlich strahlt sie durch die Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten mehr denn je. Auf Macron ging auch die kurze Frist der Renovierungsarbeiten zurück, die er am Tag nach dem Brand ausgegeben hatte – in nur fünf Jahren werde das „Volk der Erbauer“, das die Franzosen seien, Notre-Dame wieder aufbauen. Ein Film würdigte die Pariser Feuerwehrleute, die den Brand gelöscht, sowie die rund 2000 Handwerker, aber auch Forscher oder Ingenieure, die auf der Baustelle gearbeitet hatten. Ein großes „Merci“ wurde abends auf die Außenfassade der Kathedrale projiziert.
Möglich wurde die Einhaltung des Zeitplans auch durch die immense Spendenbereitschaft in der ganzen Welt. Mehr als 840 Millionen Euro kamen zusammen. Ein Beitrag aus Deutschland war auch die Reinigung und Restaurierung von vier Fenstern aus dem südlichen Obergaden des Langhauses, was die Glasrestaurierungswerkstatt der Kölner Dombauhütte übernahm. Mit beteiligt war dabei auch die freiberufliche Glasrestaurierungswerkstatt „Die Glasmaler“ aus Borchen.
Die Zeremonie folgte einem genauen Plan, der vorab hart zwischen Élysée-Palast und der Diözese von Paris verhandelt worden war. Denn die Kathedrale gehört wie alle vor 1905 erbauten französischen Kirchenbauten dem Staat, die katholische Kirche wiederum hat ein Nutzungsrecht. Sollte Macron seine Rede aus Respekt vor der in Frankreich geltenden Laizität, der Trennung von Staat und Religion, eigentlich auf dem Vorplatz halten, so zwang das windige und regnerische Wetter zu einer Verlegung der gesamten Zeremonie ins Innere.
Dem Pariser Erzbischof Laurent Ulrich kam die Aufgabe zu, in einem präzise vorgeschriebenen Zeremoniell in die Kathedrale einzuziehen, nachdem er dreimal mit seinem Bischofsstab – hergestellt aus einem geretteten Stück des ansonsten großteils zerstörten Balkenwerks – an das Haupttor geklopft hatte. Im Inneren weihte der Geistliche das neue Bronze-Taufbecken am Eingang und weckte die Orgel mit einem katholischen Ritus auf. Später verlas er eine Botschaft von Papst Franziskus, der der Einladung nicht gefolgt war.
Besuch bleibt gratis, doch Termine sind bereits ausgebucht
Am Sonntag zelebrierte der Erzbischof zwei Messen vor rund 170 Bischöfen und mehr als 100 Priestern aus den Pariser Pfarreien. Nach der Ausrichtung der Olympischen Sommerspielen in Paris galt die Wiedereröffnung der Kathedrale als zweiter Höhepunkt des Jahres in Frankreich, das davon abgesehen von politischen Krisen erschüttert wurde, der letzten erst in dieser Woche mit dem Sturz der Regierung.
Unabhängig vom Rückgang der Zahl gläubiger Katholiken im Land gaben in einer Umfrage Ende November 53 Prozent der Befragten an, an Notre-Dame zu hängen. Knapp die Hälfte planen einen Besuch des Wahrzeichens. Dieser bleibt gratis, allerdings sind die Anmeldetermine bislang sofort ausgebucht. Möglich ist auch, Schlange zu stehen, um das beeindruckende Bauwerk endlich wieder zu sehen.
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