Roßdorf. Ob Blick auf die Sterne, in die Glaskugel oder Karten legen - die Vorstellung, in die Zukunft schauen zu können, fasziniert die Menschen seit jeher. Auch in diesem Jahr haben Hellseher und Astrologen allerlei prognostiziert. Davon sei so gut wie nichts eingetreten, findet zumindest die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), die sich jedes Jahr kritisch mit Wahrsagern beschäftigt. Es brach glücklicherweise kein Weltkrieg aus, auch die Erde gibt es noch. Hellseher und Astrologen hätten mit ihren meist düsteren Prognosen auch 2015 praktisch immer daneben gelegen, konstatiert die GWUP aus dem südhessischen Roßdorf. Schreckliche Ereignisse des Jahres wie etwa den Germanwings-Absturz im März oder die Terrorserie in Paris im November hätten sie dagegen nicht kommen sehen.
Auffallend seien bei den Vorhersagen in diesem Jahr "verhältnismäßig viele Weltuntergänge gewesen", sagt der Mainzer Mathematiker Michael Kunkel, der Prognosen dieser Art seit 14 Jahren unter die Lupe nimmt. Besonders im Herbst habe der Weltuntergang Hochkonjunktur gehabt, allein zwischen dem 24. September und dem 7. Oktober sei er dreimal vorhergesagt worden. Ein Deuter habe einen Weltkrieg auf die Tage zwischen dem 1. und 10. November terminiert. Eine Sekte sagte laut GWUP wegen der Arbeiten im Kernforschungszentrum Cern in der Schweiz für die Zeit nach September eine "Verschiebung der tektonischen Erdplatten" und "ungeheure Erdbeben" voraus. Eingetreten ist all das bekanntlich nicht.
"Es wäre ja wirklich spannend, wenn jemand tatsächlich in die Zukunft schauen könnte, aber bisher konnte noch niemand seine behaupteten Fähigkeiten tatsächlich unter Beweis stellen", sagt Kunkel. "Astrologen machen auch keine genauen Angaben. Im Nachhinein können sie alles erklären."
"Wir haben Angst"
Der Deutsche Astrologen-Verband sieht das erwartungsgemäß anders und wirft den Kritikern zudem Einseitigkeit vor. "Die GWUP sieht sich pauschal das an, was nicht eingetroffen ist", sagt der Vorsitzende Klemens Ludwig. "Es gibt auch das Vorurteil, dass Astrologie Unfug ist." Die Kritik, Prognosen seien schwammig, treffe eben nicht den Kern. "Man kann keine Ereignisse konkret vorhersagen", betont der 59-Jährige. "Wenn es jemand macht, ist er entweder ein Scharlatan, hat übersinnliche Fähigkeiten oder macht Unterhaltung."
Warum sind Prophezeiungen überhaupt für so viele Menschen interessant? "Ich glaube, dass wir Menschen Angst haben", sagt Dietmar Lucas vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. "Aus meiner Sicht hat Angst viel mit einer Befürchtung in die Zukunft hinein zu tun", erklärt er. "Es ist immer wieder der Versuch: 'Ich weiß nicht, was morgen ist. Aber ich würde es gerne'."
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