Royales

Schwedens Monarchie steckt in der Krise

Carl Gustaf irritiert mit Thronfolge-Debatte, und ein Historiker prophezeit das Ende des Königtums

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#funke
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Zum 40. Geburtstag von Kronprinzessin Victoria (4. v. r.) am 14. Juli 2017 präsentierte sich die schwedische Königsfamilie in Eintracht. © Christine Olsson/TT NEWS AGENCY/AP/dpa

Stockholm/Berlin. Ausgerechnet vor laufenden TV-Kameras hat König Carl XVI. Gustaf von Schweden eine royale Büchse der Pandora geöffnet. Öffentlich zweifelte er auf einmal die vier Jahrzehnte zurückliegenden Änderungen des Thronfolge-Gesetzes an, denen es seine Tochter zu verdanken hat, dass sie eines Tages auf dem Thron sitzen wird – und nicht ihr Bruder. Ist der König ein Mann von gestern? Nicht nur wegen Carl Gustafs unbedachten Äußerungen in einer TV-Doku diskutieren die Schweden dieser Tage, ob die Monarchie in ihrem Land noch eine Zukunft hat.

Affäre mit Popsängerin

Carl Gustaf gibt sich als jemand zu erkennen, der mit dem Zeitgeist hadert. Es sind aufreibende Zeiten für den König, der – höflich ausgedrückt – nicht gerade als Feminist, sondern eher als Elchjäger, Liebhaber schneller Autos und enttarnter Ex-Lover der Popsängerin Camilla Henemark (58, „Army of Lovers“) auffällt.

Die Musikerin packt gerade in einer TV-Dokumentation mit dem Titel „Der König mit den zwei Gesichtern“ aus, wie das damals in den 1990ern so war mit ihr und Carl Gustaf. Der habe einfach zu selten Lücken in seinem Terminkalender gehabt: „Die Zeit war manchmal knapp. Wir hatten eine Stunde, und das ist keine Art, Zeit zu verbringen.“ Deshalb habe sie sich getrennt.

Die Enthüllungen und die ungeschickten Äußerungen des Königs wirken sich aufs Stimmungsbild im Land aus. Einer neuen Umfrage zufolge finden zwei von drei Schweden, er solle den Thron an Kronprinzessin Victoria (45) abgeben.

Lieber den Sohn auf den Thron

Jene Victoria, die er gar nicht als Nachfolgerin haben wollte. In diesem Jahr feiert der 76-Jährige sein 50-jähriges Thronjubiläum – aus diesem Anlass ließ er sich fürs Fernsehen interviewen. In dem Gespräch kritisierte er die Änderungen des Thronfolge-Gesetzes: Als Sohn Carl Philip (43) am 13. Mai 1979 das Licht der Welt erblickte, war kurzzeitig er der Kronprinz. Doch schon bald folgte die politische Entscheidung, seine ältere Schwester zur Thronfolgerin zu ernennen. Schweden gehört wie die anderen skandinavischen Länder zu den Vorreitern der Gleichberechtigung – ein Beharren auf der männlichen Thronfolge hätte bereits in den frühen 1980er-Jahren nicht zum Selbstverständnis des Landes gepasst. Trotzdem klagte Carl Gustaf: „Ich als Vater fand das furchtbar.“

Da war er vermutlich der Einzige. Denn der abgesetzte Carl Philip war ein Baby, als er im Alter von einem Jahr den Kronprinzentitel verlor. Er dürfte das kaum persönlich verfolgt, schon gar nicht verstanden und auf keinen Fall schwere psychische Schäden dadurch davongetragen haben.

Das Volk ist empört. Carl Gustaf ruderte schnell zurück. Er wolle klarstellen, dass er seine Tochter nicht kritisiert habe: „Die Kronprinzessin ist meine Nachfolgerin.“ Und: „Ich bin stolz auf sie und ihren unermüdlichen Einsatz für Schweden.“

Victoria, bei den Landsleuten wesentlich beliebter als ihr Vater, sagte nichts. Stattdessen arrangierten die beiden einen gemeinsamen Fototermin, bei dem sich Papa und Tochter zusammen beim Langlaufen zeigten. Dabei stürzte Victoria in den Schnee, stand aber lachend auf. Der König blieb auf seinen Skiern. Trotzdem kommen seine unbedachten Äußerungen einer Bruchlandung gleich.

Ehemaliger Privatlehrer Victorias

Der Imageschaden ist groß. Und jetzt kommt auch noch der Historiker Herman Lindqvist (79) und prognostiziert in der Boulevardzeitung „Aftonbladet“ ein baldiges Ende des Königtums. Das Volk fremdele zunehmend mit dem Adel. „Es wird Referenden und Untersuchungen geben- und dann wird man sich für die Republik entscheiden“, sagt er voraus.

Victoria werde nach Carl Gustaf das Zepter übernehmen und irgendwann an ihre Tochter Estelle weitergeben – dann sei Schluss. Die Zehnjährige dürfte eines Tages die letzte Königin von Schweden werden, orakelt Lindqvist.

Seine düstere Vorhersage elektrisiert royale Fans wie Kritiker. Denn Lindqvist ist keineswegs ein Gegner der Monarchie, er war Victorias Privatlehrer. Zu seinem Denkmodell gehört die These, dass immer weniger urroyale DNA im schwedischen Königshaus anzutreffen sei, da alle drei Kinder von Carl Gustaf und Königin Silvia (79) bürgerliche Ehepartner gewählt hätten.

Fakt ist: Victoria kommt sehr gut an, nicht wenige Schwedinnen und Schweden hätten gerne, dass sie schnellstmöglich den Thron übernimmt. Auch ihre Tochter Estelle ist Liebling der Landsleute und überzeugt bereits als Zehnjährige mit einer Mischung aus Charme, Natürlichkeit und einem durchaus sichtbaren Interesse an royalen Auftritten.

Im internationalen Vergleich hat die neue royale Heiratspolitik in vielen Fällen der Popularität der Königshäuser nicht geschadet – bestes Beispiel: Herzogin Kate (41) im Vereinigten Königreich.

Die Zeit „nach Estelle“ dürfte, realistisch gerechnet, in etwa 80 Jahren beginnen. Orakel Lindqvist wäre dann 159 Jahre alt. Er wird wohl nie erfahren, ob seine kühnen Prognosen für die schwedische Monarchie tatsächlich eintreffen werden.

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