Mannheim. Wer hätte das gedacht? Wenn das Jugendamt zuschaut, kann Dieter Bohlen nett sein. Dann fällt er vor kleinen Mädchen auf die Knie, sagt Dinge wie "Ich kannte bisher nur Fruchtzwerge, aber keine Schluchzzwerge, die so schön singen" und attestiert den Sängern "eine fantastische Leistung!"
Das Wunder ist in der neuen RTL-Schau "DSDS Kids" zu bestaunen. Doch was läuft hinter den Kulissen? Kann eine solche Sendung die Entwicklung der Heranwachsenden stören? Sind sie durch den Wettbewerb zu großem Druck ausgesetzt?
Zu großer Druck?
Der Mannheimer Medienanwalt Martin Kuhr ist skeptisch: "Wie lange haben die wohl im Vorfeld trainieren müssen, um zu singen wie ein Star?" Im Gegensatz zur "Mini-Playback-Show", die RTL in den 90er Jahren ausstrahlte, müssten die Kinder hier ja noch mehr Eigenleistung bringen: "Sie tanzen nicht nur, sondern singen auch selbst." Und alles solle möglichst an das Original herankommen, das bedeute schon einen gewissen Druck. Auch für das junge Publikum sieht Kuhr mögliche "negative Auswirkungen", wenn es den Gleichaltrigen dabei zusieht, wie sie sich wie Stars gebärden. Außerdem: "Warum wird eine solche Sendung, die ja eigentlich für Kinder ist, ab 20.15 Uhr ausgestrahlt?", fragt Kuhr. Das sei viel zu spät.
Klaus-Peter Völlmecke, stellvertretender Leiter des Jugendamts Köln, findet an der Sendung nichts Schlimmes: "Für uns gibt es keine Veranlassung, tätig zu werden." Er erzählt: "Nach der Sendung gab es einen Hinweis, es sei von Zigaretten die Rede gewesen." Seine Mitarbeiter hätten sich eine Aufzeichnung angesehen. "Dieter Bohlen hatte in diesem Fall das Rauchen kritisiert, insofern war das in Ordnung."
Amt hat Auftritte genehmigt
Dass die Kinder auftreten können, hat die Bezirksregierung Köln (BRK) genehmigt. Sie teilte dieser Zeitung mit: "Verstöße gegen Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes oder Auflagen des Bescheides sind uns Stand heute nicht bekannt. Ein Sendemitschnitt wird derzeit überprüft." Erkenne die BRK Verstöße, könne sie die Genehmigung jederzeit widerrufen.
Aber wie genau lauten die Auflagen, an die sich RTL zu halten hat? Unter anderem dürfen die Teilnehmer nur drei Stunden am Tag zwischen acht und 22 Uhr an der Sendung mitwirken oder proben. So will es das Jugendarbeitsschutzgesetz. Auch müssen die Sorgeberechtigten einverstanden sein, dass der Nachwuchs nach Köln fährt. Die Kinder müssen immer beaufsichtigt und gesund sein. Zudem muss der Sender sicherstellen, dass ihre körperliche und seelisch-geistige Entwicklung nicht beeinträchtigt wird.
Damit die Kinder nicht zu spät auf der Bühne stehen und nicht "dem Druck einer Live-Sendung ausgesetzt sind", wurden die Darbietungen im Vorfeld zwischen 18 und 20 Uhr aufgezeichnet. Das teilte Anke Eickmeyer von RTL auf Anfrage mit. Zudem sei ein Medienpädagoge vor Ort. "Wir halten uns an all die Auflagen", sagte Eickmeyer. Die Verkündung der Finalisten allerdings werde live ausgestrahlt. "Aber da stehen die Kinder ohnehin nicht mehr auf der Bühne, sondern sitzen im Publikum und arbeiten nicht."
Und wie ist es mit Schulausfall? "Diejenigen, die nicht in und um Köln wohnen, waren von Mittwoch bis Freitag von der Schule freigestellt", so die BRK. "Für jene, die das Finale erreichen, kommen je nach Wohnort drei bis vier Schultage hinzu." Den Unterrichtsstoff holten die Kinder in eigener Verantwortung der Eltern nach.
In sieben Städten haben RTL-Mitarbeiter aus 38 000 Kindern 30 ...
In sieben Städten haben RTL-Mitarbeiter aus 38 000 Kindern 30 ausgewählt. In drei Sendungen präsentieren sich je zehn. Jedes singt ein selbst gewähltes Lied.
Die Zuschauer wählen pro Sendung drei Finalisten. In einer vierten treten diese gegeneinander an.
Unterschiede zum DSDS-Original: Die Jury lobt nur. Castingszenen werden nicht gezeigt. Auch auf ausgeschiedene Kinder zielt die Kamera nicht. Spott und Häme gibt es nicht.
Premiere: war am vergangenen Samstag. Heute, um 20.15 Uhr, folgt Sendung Nummer zwei. ucn
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