Missbrauch: In der Odenwaldschule sollen sich nicht nur Lehrer an Schülern vergriffen haben / Misshandlungen von Mitschülern

Immer mehr neue Vorwürfe

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Heppenheim. Im Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim kommen immer neue Vorwürfe ans Licht. Nach Berichten ehemaliger Schüler sollen sich nicht nur Lehrer an ihren Schützlingen vergriffen haben. Auch Schüler sollen sich untereinander mit massiver Gewalt misshandelt haben. Die Rede ist von verbrühten Genitalien und schwerstem sexuellen Missbrauch. Die Leiterin der Odenwaldschule, Margarita Kaufmann, bestätigte gestern, dass sich zwei frühere Schüler mit den Vorwürfen gemeldet haben.

"Dimension nicht bewusst"

"Diese Dimension war mir bislang gar nicht so sehr bewusst gewesen, obwohl wir auch in der Vergangenheit von ehemaligen Schülern solche Hinweise bekommen hatten", sagte Kaufmann dem Rundfunksender hr-info. "Aber weil wir sicherlich so fixiert gewesen sind auf den Missbrauch durch Lehrkräfte, haben wir darauf gar nicht so sehr geachtet." Seit Anfang März waren zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch an der Reformschule bekanntgeworden. Mittlerweile soll es sich um rund 40 Missbrauchsopfer handeln.

Wegen des Missbrauchsskandals hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt bislang zehn Ermittlungsverfahren eingeleitet. In neun Fällen gehe es um sexuellen Missbrauch von Lehrern an Schülern, sagte der Sprecher der Behörde, Ger Neuber. Gegen den früheren Schulrektor Wolfgang Harder werde wegen des Verdachts der Strafvereitelung ermittelt, weil er Informationen nicht weitergegeben habe. Nach derzeitigem Kenntnisstand seien alle Taten verjährt, sagte Neuber.

Die neuen Vorwürfe sind massiv. So soll in einem Fall ein Lehrer nicht eingegriffen haben, als ein gefesselter Schüler von Mitschülern schwer sexuell missbraucht wurde. Demselben Lehrer werde auch vorgeworfen, an der Odenwaldschule Jungen und Mädchen missbraucht zu haben. Er war bis 1999 an der Schule. Allerdings gilt: Die Vorwürfe sind noch nicht überprüft. Persönliche Gespräche mit den Betroffenen stünden noch aus, sagte eine Sprecherin der Schule.

Ein früherer Schüler der Odenwaldschule sagte der Nachrichtenagentur dpa, auch er sei Zeuge von Misshandlungen unter Schülern geworden. Es habe damals eine "latente Drohung" gegeben. Er habe miterlebt, wie einem damaligen Freund von einem Mitschüler die Genitalien gequetscht worden seien. Die Schreie seien nicht zu überhören gewesen, erzählte der Mann, der von Mitte der 70er bis Anfang der 80er Jahre an der Odenwaldschule war.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass Fälle bekannt sind, in denen sich ehemalige Schüler der Odenwaldschule das Leben genommen haben. Ob ein Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen bestehe, lasse sich nicht sagen. Bekannte Missbrauchsvorwürfe beziehen sich auf die Jahre 1966 bis 1991. dpa

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