Braunsbach. Manuel Taffner schaufelt Schlamm und Geröll aus der Gaststätte "Löwen" am Markt. Jetzt gönnt er sich eine kleine Pause mit Würstchen und Wasser, irgendjemand hat das vorbeigebracht. "Ich helfe, bis ich nicht mehr kann, dann gehe ich duschen und ins Bett", sagt er. Taffner hat sich Urlaub genommen, obwohl sein Haus am Hang von der Schlamm- und Gerölllawine verschont blieb, die in der Nacht zum Montag seinen Heimatort Braunsbach im eigentlich idyllischen Kochertal in eine Schlammwüste verwandelt hat.
Taffner und sein Schwager Dimi Karagiannis helfen - egal wo. "Wenn mir sowas passiert wäre, bräuchte ich auch Hilfe", sagt er schlammverschmiert und sichtlich erschöpft. Ist im "Löwen" nichts mehr zu tun, wollen beide "die Straße rauflaufen und irgendwo anders helfen". Braunsbacher hielten zusammen.
Lkw transportieren Geröll ab
Dass hier in der Nacht zum Montag niemand zu Tode kam, erscheint wie ein Wunder. Ganze Hauswände sind rausgerissen. Oben am Markt liegen die Schuttberge, durchsetzt mit Baumstämmen, mannshohen Steinbrocken, zerquetschten Autos und mitgeschwemmtem Hausrat so hoch, dass man gar nicht darüber kommt. Laut dröhnende Bagger und Schaufelradlader tragen sie ab. Lastwagen für Lastwagen wird Geröll aus dem Ort gefahren. Autowracks werden auf einen provisorischen Schrottplatz gezogen. Auf den Straßen steht der Schlamm knöcheltief. Der Schlossbach, einer der beiden Zuflüsse zum Kocher, die am Sonntagabend gemeinsam eine unglaubliche Gewalt entwickelten, läuft noch mehr oder weniger unkontrolliert durch den Ort.
Gewöhnlich läuft er nur oben am Schloss offen ins Tal, weiter unten eigentlich im Kanal. Doch der ist am Mittag noch verschüttet. Hier und da riecht es nach Benzin oder Öl, vermutlich aus leckgeschlagenen Autos, die demoliert am Straßenrand stehen. Mit einem X sind die markiert, die auf Verschüttete kontrolliert sind. Es gebe keine Vermisstenmeldungen, versichert Gerhard Bauer, Landrat des Kreises Schwäbisch Hall.
Kostenlose Zahnbürsten
Gemeinderätin Brigitte Ehrmann (47) schaufelt Schlamm aus dem Rathaus. Die Bank, bei der sie gewöhnlich arbeitet, hat ihr freigegeben. "Gestern Abend um zehn war die Vertretung organisiert, das ist super." Bürgermeister Frank Harsch wirkt noch erschöpfter als am Vortag. Doch er ist vermutlich auch stolz. "Es ist ein Wahnsinn: Alle haben Kumpels oder Verwandte organisiert, die mithelfen." Die Stromversorgung solle so schnell wie möglich wieder hergestellt werden, die Wasserversorgung natürlich auch. Der Weg zurück zum alten Braunsbach könne Monate dauern. Und was denkt er, wenn für heute neue Gewitter vorhergesagt sind? "Daran kann ich eh nichts ändern."
In der Infozentrale der Gemeinde in der Grundschule auf dem Berg gibt es Kosmetikartikel wie Zahnbürsten - kostenlos steht auf einer Tafel am Markt. Daneben schieben die 12-jährige Carolin und ihr Bruder Florian (8) mit Besen Schlamm aus dem Geschäft, in dem für gewöhnlich ihr Vater arbeitet. Er helfe mit, damit die Läden bald wieder öffnen könnten, sagt Florian abgeklärt. Schule und Kindergarten bleiben die ganze Woche geschlossen.
Noch keine Entwarnung
- Das große Aufräumen nach den schweren Unwettern im Südwesten hat begonnen:Tausende Helfer waren gestern vor allem in Baden-Württemberg im Einsatz, um von Hochwasser und Schlamm blockierte Straßen und Gleise freizuräumen.
 - Der Schienenverkehr im Südwesten dürfte noch mehrere Tage lang beeinträchtigt sein.
 - Die SV Versicherung, die etwa 70 Prozent der Gebäude in Baden-Württemberg abdeckt, rechnete in dem Land mit Schäden im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich.
 - In den Fällen, in denen Menschen unverschuldet in eine Notlage geraten seien, werde in jedem Einzelfall unbürokratische Nothilfe geprüft, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) gestern in Stuttgart.
 - Entwarnung ist nicht in Sicht: Das Gewitterrisiko steige in den nächsten Tagen wieder, sagte Meteorologin Magdalena Bertelmann.
 
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