Konsum - Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen in chinesischen Spielzeugfabriken

Giftigen Dämpfen schutzlos ausgeliefert

Von 
Tanja Tricarico
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Chinesische Arbeiterinnen fertigen Spielzeug in einer Spielzeugfabrik in Yunhe, Provinz Zhejiang. Gerade vor dem Weihnachtsgeschäft müssen manche von ihnen Berichten zufolge 100 Überstunden und mehr im Monat machen.

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Berlin. Mindestens zwölf Stunden dauert ihr Arbeitstag. Im Akkord stecken, kleben und binden die chinesischen Fabrikarbeiter die Einzelteile für Kinderspielzeug zusammen. Sie machen Puppen, Autorennbahnen, Spieleküchen versandfertig für den Weltmarkt. Ihr Job ist oft gefährlich. Wenn sie mit dem Heißkleber hantieren, gibt es weder Handschuhe noch Sicherheitsbrillen, giftigen Dämpfen sind sie schutzlos ausgeliefert. Auch nach der Arbeit können sich die Arbeiter kaum ausruhen. Sie schlafen auf Pritschen, Toiletten und Duschen sind verdreckt.

Es sind erschütternde Details, die der Bericht von China Labour Watch, der Christlichen Initiative Romero und Solidar Suisse aufzeigt. Monatelang haben die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen verdeckt recherchiert. In einem rund 100 Seiten langen Bericht dokumentieren sie die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Spielzeugfabriken Shaoguan Early Light, Dongguan ChangAn Mattel, Dongguan Qualidax und Shenzhen Winson Precision. Dort lassen zahlreiche US-Konzerne, darunter Disney, Mattel oder Hasbro, einen großen Teil ihrer Markenspielzeuge für den amerikanischen und europäischen Markt produzieren.

Die Weihnachtszeit spült Millionen in die Kassen der Spielzeugindustrie. Monate bevor die Verkaufssaison startet, wird in den chinesischen Fabriken die Produktion hochgefahren. Schließlich sollen Barbies und Disneyfiguren, wie Olaf der Schneemann aus dem Film "Frozen", rechtzeitig vor Weihnachten in den Geschäften liegen. Damit die Aufträge erfüllt werden können, müssen die Arbeiter Überstunden leisten. In einigen Fabriken kommen laut Bericht 100 Überstunden und mehr pro Monat zusammen.

Bestürzung bei Herstellern

Der US-Spielzeugkonzern Hasbro reagierte bestürzt auf den Bericht. Man nehme die Vorwürfe sehr ernst und habe unverzüglich Nachforschungen angestellt, teilte eine Sprecherin des Konzerns auf Anfrage mit. Die Herstellung nach ethischen Richtlinien hätte höchste Priorität. Disney verwies auf den US-Industrieverband International Council of Toy Industries, der ebenso den Vorwürfen nachgehen will. Auch beim Barbie-Produzenten Mattel kennt man den Bericht und prüft derzeit die Sachlage, wie eine Unternehmenssprecherin bestätigt. Zudem fühle der Konzern sich ethischen und ökologischen Arbeitsweisen verpflichtet.

Es ist nicht das erste Mal, dass China Labour Watch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken anprangert. Seit 1999 berichtet die Nichtregierungsorganisation über die Zustände. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Verhaltenskodices aufgelegt und versprechen darin Arbeitsrechte einzuhalten. Tatsächlich ist laut Bericht aber in keiner der vier Fabriken eine Gewerkschaft als echte Vertretung der Arbeiter aktiv.

Auch bei den Löhnen hat sich offenbar kaum etwas getan. 2013 verdienten die Arbeiter in Spitzenzeiten inklusive Überstunden in einigen Fabriken umgerechnet knapp 400 Euro, 2017 stieg der Betrag auf bis zu 550 Euro. Dank hoher Inflationsrate haben die Arbeiter allerdings nur wenig von der Lohnerhöhung. In anderen Fällen erreicht der Grundlohn ohne Überstunden und Prämien nicht einmal die Höhe des lokalen Mindestlohns von umgerechnet rund 190 Euro.

Die Organisationen hinter dem Spielzeug-Bericht sehen die Industrie in der Pflicht, schnell zu handeln. Sie fordern von den Firmen eine Grundsatzerklärung zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte, sowie mehr Kontrollen in den Fabriken und existenzsichernde Löhne. Zudem plädieren sie für mehr Transparenz: Auch der Verbraucher soll Bescheid wissen, wie die Produkte hergestellt werden, die die Kinder unter dem Weihnachtsbaum finden.

Korrespondent

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