Studie

Gewalt gegen Frauen bei jungen Männern „akzeptabel“

Festhalten an Stereotypen – jeder dritte Befragte findet Handgreiflichkeiten im Streit vertretbar

Von 
Alexandra Schrader
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Laut einer Studie von Plan International Deutschland kann jeder dritte befragte Mann sich vorstellen, gegen seine Partnerin handgreiflich zu werden. © Maurizio Gambarini/dpa

Berlin. Er soll muskulös und groß sein, viel Geld verdienen und keine Schwächen zeigen – der perfekte „männliche Mann“. Dieses Bild haben zumindest viele junge Männer im Kopf, wenn sie an „Männlichkeit“ denken. Das zeigt eine neue Studie der Organisation Plan International Deutschland, die unserer Redaktion vorliegt. Für die bundesweit repräsentativen Ergebnisse wurden Mitte März deutschlandweit 1000 Männer und 1000 Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren zum Thema „Männlichkeit“ befragt. Die Teilnehmenden leben in verschiedenen Regionen Deutschlands, haben unterschiedliche Bildungsabschlüsse.

Die Studienergebnisse zeigen deutlich: Obwohl gerade in den sozialen Medien klassische Rollenklischees immer öfter in Frage gestellt werden, haben viele Jungen und Männer das Gefühl, Stereotypen erfüllen zu müssen. Doch viele scheinen sich durch ihr Mannsein überlegen zu fühlen. Welche Folgen dieses Denken haben kann, sieht man in etlichen Missbrauchsfällen – und immer dort, wo ein vermeintliches Machtgefälle ausgenutzt wird.

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Doch was verstehen junge Männer heute eigentlich konkret unter Männlichkeit, und inwiefern können Rollenbilder der Gesellschaft schaden? Die Studie hat zehn Aspekte in den Fokus genommen. So spielt für junge Männer vor allem kerniges Aussehen eine erhebliche Rolle: Mehr als 50 Prozent der Befragten wollen so zeigen, dass sie ein „echter Mann“ sind – und treiben zum Beispiel Sport, um einen muskulösen Körper zu haben. An anderen, die nicht in das traditionelle Männlichkeitsbild passen, stören sich Studienteilnehmer – und schrecken nicht vor negativen Kommentaren zurück: 42 Prozent geben an, Männern einen „Spruch zu drücken“, die auf sie feminin wirken. Fast die Hälfte der Befragten fühlt sich davon belästigt, wenn Männer öffentlich ihre Homosexualität zeigen.

Bloß keine Gefühle zeigen

Zugleich sind viele nicht bereit, ihre verletzlichen Seiten zu zeigen: Etwa die Hälfte glaubt, sich beim Sprechen über Gefühle schwach und angreifbar zu machen – dennoch fühlen sich 63 Prozent der Befragten manchmal innerlich traurig, einsam oder isoliert.

Vor allem in sozialen Netzwerken ist in diesem Zusammenhang oft von „Toxischer Männlichkeit“ die Rede. Der Ausdruck wird verwendet, wenn Männer sich durch ihre Sozialisation traditionelle, „typisch männliche“ Denk- und Verhaltensweisen aneignen, mit denen sie dann aber sich und anderen schaden. Etwa, indem sie nicht über ihre Sorgen reden und so immer unglücklicher werden.

Traditionelle Rollenbilder wirken sich der Studie nach auch auf den Umgang mit Frauen aus. Zwei Aspekte sind dabei besonders erschreckend: Für jeden dritten Mann ist es akzeptabel, im Streit mit der Partnerin handgreiflich zu werden. Ebenso geben 34 Prozent an, dass sie schon mal Gewalt angewandt haben, um einer Frau Respekt einzuflößen. Zudem findet es fast die Hälfte wichtig, in einer Partnerschaft immer das letzte Wort haben.

Auch die klassische „Hausfrau“ scheint in den Köpfen vieler Männer vorherrschend zu sein: Mehr als die Hälfte sieht ihre Rolle darin, genug Geld zu verdienen – um den Haushalt kümmert sich hauptsächlich die Partnerin. Die Frau soll für etwa 40 Prozent den Rücken freihalten und ihre eigenen Bedürfnisse dafür zurückstellen. Ebenso viele Männer geben an, bereit zu sein, länger als ein paar Wochen in Elternzeit zu gehen.

Zweifeln die Befragten zumindest an ihren Denk- und Verhaltensweisen? Die Antwort ist: Nur wenige. Fast 90 Prozent der Teilnehmer sind mit dem eigenen Männerbild zufrieden. Klar wird jedoch ebenfalls: Es gibt die Bereitschaft für einen Wandel. Fast alle Personen sagen, dass sie den Druck für eine Veränderung spüren. Über die Hälfte gibt an, sich weiterentwickeln zu wollen.

Alexandra Tschacher, Sprecherin von Plan International Deutschland, zieht aus der Studie verschiedene Schlüsse. „Die klassischen Rollenbilder sind eben doch noch in den Köpfen der Gesellschaft verankert.“ Das müsse sich in Zukunft ändern. „Das Bemerkenswerte an den Ergebnissen unserer Befragung ist, dass dieses konservative Denken bei einem überraschend hohen Anteil gerade der jungen Männer vorherrscht.“ Es sei deshalb wichtig, gemeinsame Wege zu finden. „Wenn wir, wie jetzt, die Probleme aufzeigen, können wir daran arbeiten und gemeinsam mit den Männern für positive Veränderung sorgen.“

Auch Karsten Kassner, Fachreferent beim Bundesforum Männer betont: Von den Studienergebnissen sei er teilweise „erschrocken“ gewesen. Dass viele junge Männer Schwierigkeiten im Umgang mit eigenen Gefühlen haben, hänge mit überkommenen Leitbildern von Mannsein zusammen. Problematisch sei, dass ein Drittel der befragten Männer Handgreiflichkeiten gegenüber Frauen verharmlosten. Das müsse sich dringend ändern. „Aktuell erleben wir eine Gleichzeitigkeit von alten und neuen Geschlechterbildern und Anforderungen an Männlichkeit. Das führt zu Verunsicherung“, sagt der Fachreferent. Viele Männer seien zwar grundsätzlich bereit, sich für mehr Gleichberechtigung und gegen Rollenklischees einzusetzen, würden dies jedoch zu selten in konkrete Taten umsetzen.

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