Kolumbien

Eltern des Liverpool-Stars Diaz entführt

Die unbekannten Täter lassen die Mutter des Nationalspielers nach wenigen Stunden wieder frei, doch um den Vater entwickelt sich ein Drama

Von 
Tobias Käufer
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Das Wohnhaus der Familie von Liverpool-Starkicker Luis Diaz in Barrancas, Kolumbien. Darauf ist er in Nationalelf-Trikots abgebildet. © Tobias Käufer

Barrancas/Liverpool. Es sind die Nachrichten, vor denen sich jeder Fußballer aus Kolumbien fürchtet. Die Eltern von Luis Diaz, dem derzeit wohl besten Fußball-Nationalspieler des südamerikanischen Landes, gingen am Wochenende Entführern ins Netz. Die Mutter kam nach wenigen Stunden frei. Um den Vater entwickelte sich ein Drama. Damit dürfte in der Heimatstadt des Stars im Nordosten Kolumbiens nichts mehr so sein, wie es einmal war.

Denn sie sind mächtig stolz in Barrancas auf den berühmtesten Sohn der Stadt. Das Haus, in dem Luis Diaz aufgewachsen ist, haben sie in den Landesfarben gelb, rot und blau angemalt. Und die Logos seiner Vereine auf der Hauswand verewigt. Ganz unten ist das des FC Liverpool zu sehen. Der Club, in dem Diaz zum internationalen Topstar aufstieg.

Alle kennen das Haus

Jeder in der Stadt in der nordkolumbianischen Provinz La Guajira wusste, wo die Familie zu Hause ist, wo sie wohnt oder einkauft. Oft haben sich die Familie und Freunde hier getroffen, um gemeinsam die Spiele zu anzuschauen. Ein paar Gehminuten weiter gibt es eine der vielen Kneipen, in denen sich auch die Nachbarn in roten Trikots zum Anpfiff treffen. Der ist wegen des Zeitunterschiedes meist sehr früh oder mittags. Wenn Diaz im Dress der „Reds“ aufläuft und an der Seitenlinie Trainer Jürgen Klopp die Kommandos gibt, oder die „Cafeteros“, wie die Nationalmannschaft liebevoll genannt wird. Die trägt ihre Spiele für kolumbianische Verhältnisse – das Land ist dreimal so groß wie Deutschland – in der Nachbarschaft aus. In der tropisch heißen Mittagshitze von Barranquilla, die auch Diaz so liebt, die Gegner aber fürchten.

Nun aber ist Barrancas geschockt. Denn am Wochenende schlug das Verbrechen zu. Noch ist unklar, was genau vorgefallen ist. Nach ersten Erkenntnissen wurden die Eltern in einem Stadtviertel von Unbekannten an einer Tankstelle verschleppt. Cilenis Marulanda und Luis Manuel Diaz wollten demnach ein paar Einkäufe erledigen, wie die Mutter berichtet haben soll. Cilenis Marulanda kam nach wenigen Stunden wieder frei, das Drama um den Vater ging aber weiter. „Wir werden in Abstimmung mit den Streitkräften verhindern, dass sie ihn nach Venezuela bringen“, zitierte die Zeitung „El Tiempo“ am Sonntagmorgen die Sicherheitskräfte. Kurz zuvor wurde mitten in der Polizei-Operation das Motorrad gefunden, auf dem Diaz offenbar entführt worden war.

Das Thema ist auch politisch brisant. Ausgerechnet am Sonntag wird in Kolumbiens Städten und Gemeinden gewählt. Die Regierung des linkspopulistischen Präsidenten Gustavo Petro steht laut Umfragen unter Druck. Die Menschen haben den Eindruck, dass die Unsicherheit im Alltag immer größer wird, Überfälle auf offener Straße zunehmen. Trotz eines Friedensprozesses, den Petro angestoßen hat. Für den kolumbianischen Staat ist es deshalb notwendig, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Wir sind auf Anordnung des Präsidenten der Republik hier in La Guajira,“, sagte Polizei-General William Rene Salamanca. „Gestern Abend ist es uns gelungen, die Mutter zu retten“. Damit hat Petro die Geiselnahme zur Chefsache gemacht. Offenbar sucht die Armee sogar mit einem Flugzeug, das über Wärmesensoren verfügt, was bei der Suche von entscheidender Bedeutung sein kann.

Jürgen Klopp bangt mit

Petros Engagement ist allerdings zweischneidig, denn es gibt in Kolumbien nahezu täglich Express-Entführungen oder Geiselnahmen, bei denen der Staat die Opfer nicht so prominent unterstützt wie die Familie Diaz. Doch dieser Fall ist eine nationale Angelegenheit. Nachrichten wie diese, die weltweit Schlagzeilen machen, sind nicht nur politisch relevant, sondern auch für die Tourismusindustrie ein Super-GAU.

Wer hinter der Entführung steckt, war zunächst unklar. In Kolumbien sind rechtsextreme Paramilitärs, linksextreme Guerillabanden, zu deren Einnahmequellen explizit auch Geiselnahmen gehören, Drogenbanden und die ganz „normale“ organisierte Kriminalität aktiv. Viele ziehen sich mit Geiseln über die Grenze nach Venezuela zurück, dort ist die Lage noch unkontrollierbarer und unübersichtlicher. Und dort haben die kolumbianischen Sicherheitskräfte dann keine Zugriffsmöglichkeiten mehr.

Das sportliche Umfeld von Diaz sagte dem sympathischen Stürmer seine Unterstützung zu. Trainer Klopp sprach von einem „sehr schwierigen Abend“ und nahm dem Spieler für die Partie gegen Nottingham aus dem Kader. Der FC Liverpool teilte vor dem Spiel am Sonntag mit: „Wir hoffen inständig, dass die Angelegenheit sicher und so schnell wie möglich geklärt werden kann. In der Zwischenzeit hat das Wohlergehen des Spielers für uns weiterhin oberste Priorität.“ Vonseiten der kolumbianischen Fußballföderation hieß es: „Die FCF drückt ihre Solidarität mit ihm und seiner Familie aus und fordert die zuständigen Behörden auf, so schnell wie möglich zu handeln, um die Situation zu klären.“

Für die Familie Diaz ist diese Erfahrung eine schmerzhafte Zäsur. Ob das Leben in ihrer kolumbianischen Heimat so unbeschwert wie bisher weitergehen kann, ist sehr fraglich. Der Spieler und seine Eltern gelten als Menschen ohne Starallüren. Sie legten bisher stets Wert darauf, den Kontakt in ihrem bisherigen Umfeld nicht zu verlieren.

Korrespondent Auslandskorrespondent in Lateinamerika

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