Berlin. Stefanie und Jan Pohl wollten immer schon mehr Grünzeug an ihrer Wohnung auf dem dritten Stock eines Mietshauses im Berliner Stadtteil Köpenick. „Am liebsten ein grüner Teppich“, sagt Stefanie, „der das ganze Haus von oben bis unten besetzt.“ Jan hat sich mit Pflanzen und Bäumen befasst, die sich an der Fassade, auf dem Dach und an Balkonen wohlfühlen. „Da gibt es jede Menge. Alles Grün fließt von oben nach unten und in die Breite. Das Mikroklima in den Wohnungen verbessert sich, die Pflanzen mildern Lärm, Staub und Hitze, sie saugen das einfach weg.“
Nach Jahren der Diskussion im Haus der Pohls, sind die meisten Bewohner und auch der Eigentümer vom Vorschlag angetan. Vom Dachgarten aus sollen sich pralle Äste spreizen und die Fassade wird zugleich von unten aufgebaut und gestützt. „Das wird ein Naturidyll, noch in diesem Sommer“, frohlocken die Mittvierziger der Familie Pohl.
Der Bundesverband Gebäudegrün e.V. hat in seinem Marktreport für 2022 festgehalten, dass in Deutschland knapp 8,7 Millionen Quadratmeter Fläche an Häusern bepflanzt worden sind. An Eigenheimen, Mietshäusern, Gebäuden von Unternehmen und anderen Freiflächen. Damit hat sich die Begrünung innerhalb eines Jahres um 11 Prozent gesteigert. Der Trend wächst, seitdem die Sommer heißer werden. Denn die Natur funktioniert wie ein Kühlkasten, sie nimmt von der Hitze etwas weg.
Auf Balkonen und an Fassadenflächen ist es bis zu einer Höhe von drei Metern abzüglich der Fenster- und Türöffnungen genehmigt, so viel Raum zu begrünen. Darüber hinaus muss man sich allerdings eine Erlaubnis beim Klimadezernat einholen. Man bekommt sie in der Regel zügig, vor allem in Innenstadtbereichen, wo die Versiegelung Hitze am meisten absorbiert. Metropolen wie Berlin gehören neben Frankfurt zu den heißesten Städten in Deutschland.
Bezahlbare Fassadenbegrünung
Jan Pohl, Techniker, sagt: „Fassadenbegrünung ist ein Schutz gegen Unwetter und Starkregen, die mittlerweile häufiger und extremer eintreten.“ Die Kosten für Aufwand und etwaige Umsetzung von Baumaßnahmen sind Wohnkosten, die von den Mietern übernommen werden müssen, meist im Rahmen der Nebenkostenabrechnung. Für bodengebundene Begrünungen sind für die Anwachshilfe einmalig 85 Euro pro Quadratmeter zu veranschlagen. Nach der Errichtung sind Pflegekosten fällig, nur 15 Euro je Quadratmeter. Die grünen Dächer und Wände am Haus sind eine Wohnungserweiterung. Die heranwachsenden Pflanzen schützen auch vor Wind und Hagel. Das Gründach hält Regenwasser zurück und hilft damit der Artenvielfalt, die sich ausbreitet. Vögel kommen zu Besuch, manche nisten. Insekten werden weitere Lebensräume geboten. Und die Bewohner riechen den Duft der Grünflächen und des Wasserkreislaufs darin.
Am Haus bildet sich ein Filter, das Atmen wird leichter. Efeu und hochrankender Wein entwickeln sich zur zweiten Außenhaut. Auf dem Dach kann eine Photovoltaikanlage aufgesetzt werden, das hat energetische Vorteile, es wird Strom gespart. Die bepflanzte Fassade verschattet und kühlt Haus und Wohnungen, sie reduziert Verkehrslärm und Feinstaub.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BEW) hat ermittelt, dass die Bepflanzung ein wichtiges Instrument ist, weil es Sickerflächen bildet. „Wenn es regnet, speichern die Pflanzen Wasser und geben es nach und nach an die Umwelt“, erklärt Martin Weyand, Verbandshauptgeschäftsführer der BEW. Auf etwas größeren Balkonen können auch Gewächshäuser und Hochbeete eingebracht werden. Da wachsen Tomaten, Kartoffeln, Gurken oder Erdbeeren, die Mieter werden zu Hobbygärtnern und erhalten ganz nebenbei Obst und Gemüse. Ebenso sind Ziergarten möglich, sie sind optisch schön, man blickt vom Wohnzimmer aus gern darauf. Im Korbsessel oder auf Rattan kann man sich nach Arbeit und Abendessen entspannen.
Für dicht bebaute Metropolen ist Grün am Haus ein optimaler Rückzugsort. Er versetzt sozusagen den Großstadtdschungel mit seinen Straßenschluchten, er überspielt ihn. Auch Architekten plädieren dafür, Häuser zu Grünhäusern zu machen. Es sei die beste Anpassung als Klimaschutzmaßnahme gegen den Klimawandel. Wenn die Pflanzen Kohlendioxid oder Kohlenstoff binden, ist das ein natürlicher Zuwachs zur Gebäudekühlung. Das Fassadengrün senkt nicht nur die Temperatur in Wohnungen, sondern auch im Hausflur und sogar bis auf die Straße hinaus. Sie beeinflusst die lokale Lufttemperatur, reduziert sie bis zu 1,5 Grad.
Im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ist auch eine Dachbegrünung förderfähig. Zur Wahl stehen Zuschuss, Förderkredit und Steuerbonus. Voraussetzung ist, dass im Rahmen der Dachsanierung die technischen Mindestanforderungen für die Förderung erfüllt werden, beispielsweise die Größe und Charakter der Bepflanzung.
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