Temeschwar. Wo einst Tarzan war, ist fast nichts mehr da. Nur der etwas hellere Putz erinnert an der Fassade des Hauses Nr. 6a am Petöfi-Sandor-Platz in Temeschwar (Timisoara) noch an die abgehängte Plakette für den berühmtesten Sohn von Rumäniens drittgrößter Stadt. In dem Schuppen hinter den Weinreben fördert der 75-jährige Ioan Paunescu aus einem zerschlissenen Müllsack schließlich das verwitterte Gipsgedenken an Rumäniens vergessenen Dschungelkönig zu Tage: "Hier war das Haus, in dem der Schwimmolympiasieger und Schauspieler Johnny Weissmüller geboren wurde."
Das damalige Dorf und heutiger Vorort Freidorf zählte noch zu Österreich-Ungarn, als dort Johannes Peter, oder Janos, Weissmüller am 2. Juni 1904 das Licht der Welt erblickte. Sieben Monate war er jung, als seine Eltern in die USA auswanderten. Als Kind häufig krank begann der kleine Johnny auf Anraten des Arztes früh mit dem Schwimmen - und legte so die Grundlage für fünf olympische Goldmedaillen und 51 Weltrekorde. Auch die Teilnahme an Jodelwettbewerben sollte sich für den Immigranten-Sohn auszahlen: Seine begrenzten Schauspieler-Begabungen kompensierte er als Tarzan mit dem legendären Urwaldschrei. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, verstarb der Dschungelkönig 1984 wieder verarmt im mexikanischen Acapulco. Seine Heimatstadt sollte sich ihres vergessenen Sohns erst kurz vor dessen 100. Geburtstag erinnern: Es war die Ankündigung des Besuchs des Tarzan-Sohns John Scott Weissmüller, der die Stadtväter 2004 heftig ins Schwitzen brachte.
Jahrelang falsches Haus
Im Garten kräht ein Hahn, im Ofen knistert das Holz, während Rentner Ioan von der folgenschwersten Lüge seines Lebens erzählt. Zehn Tage vor dem Besuch habe ihn der Bürgermeister aufgesucht und ihn gefragt, ob er etwas dagegen habe, dass sein Haus zum Geburtshaus von Weissmüller erklärt werde. Er sei "überrascht" gewesen, gibt er offen zu. Zwar sei das Weissmüller-Haus identisch mit dem seinen gewesen, aber es sei bereits zu sozialistischen Zeiten abgerissen worden: "Natürlich lüge ich nicht gerne. Der Bürgermeister meinte aber, es wäre wichtig für die Stadt. So stimmte ich zu." Der Weissmüller-Sohn sei todkrank gewesen, aber hätte sich "sehr gefreut", das vermeintliche Haus seines Vaters zu sehen. Und auch für ihn und die ganze Stadt sei dessen Besuch eine "große Ehre" gewesen. Der "Flut" in- und ausländischer Tarzan-Enthusiasten, die er hernach in seiner Wohnstube zu bewirten hatte, habe er jedoch nie etwas vorgemacht: "Ich erzählte ihnen immer die Wahrheit: Dass dies nicht das Haus von Weissmüller ist."
"Sohn der Region"
Zwar hatte die Stadt Johnny 2004 posthum zum Ehrenbürger erklärt, doch erst jetzt arbeiten Kunststudenten an einem kostengünstigen Weissmüller-Denkmal: Der 2,20 Meter hohe Kunstharz-Tarzan soll bronzefarben eingefärbt am Ufer des Bega-Kanals stehen. Temeschwar werde 2021 Europas Kulturhauptstadt sein, aber selbst vielen Bewohnern sei noch immer nicht bewusst, was für "großartige Menschen" die multikulturelle Stadt hervorgebracht habe, erklärt Vlad Garboni den Sinn seiner Initiative: "Eine Stadt ohne Geschichte ist wie ein Körper ohne Geist: Johnny Weissmüller war ein Sohn der Region - und die Welt sollte das wissen." Diane Weissmüller, die Witwe des Tarzansohns, wolle zu den Feierlichkeiten der Denkmaleinweihung im Juni mit der Urne des Schöpfers des Tarzanschreis anreisen.
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