Naturkatastrophe - Kalifornische Behörden sprechen von "sehr ernster Situation"

Damm droht zu brechen - Tausende evakuiert

Von 
Friedemann Diederichs
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Auf dem Foto, das das Kalifornische Department für Wasserspeicher herausgegeben hat, ist der beschädigte Überlauf des Oroville-Staudamms am erodierten Hang in Oroville, Kalifornien (USA) zu sehen.

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Washington. Nur Minuten blieben knapp 200 000 Menschen unterhalb des größten Staudamms der USA in Nordkalifornien am Wochenende, ihre Häuser zu räumen. Auch der 42-jährige Javier Santiago war unter ihnen. Er floh mit seiner Frau und den Kindern zu einer waldigen Gegend oberhalb des Oroville-Damms, dessen Überlaufkanal nach heftigen Regenfällen brüchig geworden ist. "Wir werden eben im Auto schlafen," sagte Santiago Medienvertretern. Auch gestern war die Gefahr nicht gebannt, obwohl sich die Situation den Behörden zufolge leicht gebessert haben soll. Weiterhin besteht die Furcht, dass sich nach einem Bersten des Kanals eine zehn Meter hohe Wasserwalze durch den "Feather River" in die Ortschaften unterhalb des Damms ergießt und alles verwüstet.

Flick-Aktion mit Felsen

Am Donnerstag hatten Techniker erstmals Risse und Lücken am Überlaufkanal des Damms entdeckt, der zwischen 1962 und 1968 gebaut wurde und 230 Metern hoch ist. Winterstürme, Schneeschmelze und heftige Regenfälle hatten den Wasserspiegel zuvor auf ein nahezu volles Niveau gebracht, nachdem die letzten Jahre von langen Dürreperioden geprägt waren. Nur noch zwei Meter vom Überlaufen entfernt, hatte dies zusammen mit dem bröckeligen Kanal schnell eine lebensbedrohliche Situation ergeben. Allein in der unter dem Wasser-Bauwerk liegenden Stadt Oroville leben mehr als 16 000 Menschen.

Hubschrauber versuchten, durch den Abwurf von Felsbrocken in die Lücken des Überlaufkanals die Lage zu entschärfen. Ob diese Aktion Erfolg hat, war noch unklar. Umweltschützer wiesen darauf hin, dass bereits 2005 während der Lizenz-Erneuerung für den Staudamm-Betreiber massive Bedenken an der Sicherheit geäußert worden waren. Damals hatten die zuständigen Stellen alle Einwürfe für übertrieben erklärt. Umwelt-Organisationen hatten vergeblich gefordert, den Not-Überflaufkanal mit einer Betonumfassung zu versehen. Die Behörden beteuerten gestern: Die Integrität des Staudamms selbst sei durch den jetzt so angeschlagenen Kanal, der bei Regenfällen dringend zum Ablauf benötigt wird, nicht gefährdet. Umweltschützer Ron Stork, der damals vergeblich für eine Verstärkung des Abflusskanals kämpfte, sieht die Lage noch lange nicht als entschärft an: "Ich bete, dass nicht das gesamte Reservoir kollabiert." Der Gouverneur von Kalifornien ordnete gestern Alarmbereitschaft für alle 23 000 Soldaten der Nationalgarde an: Sie sollen im Notfall erste Hilfe leisten.

Korrespondent

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