Neutraubling. Rotzfrech, beleidigend und wochenlang ein Medienstar. Vor 30 Jahren spukte in einer Oberpfälzer Zahnarztpraxis Geist "Chopper". Selbst Fernsehteams aus Japan, Neuseeland und den USA berichteten live von dem Geistertreiben in Neutraubling bei Regensburg. Als das Phänomen immer abenteuerlichere Dimensionen annahm, rückte eine Sonderkommission der Regensburger Kriminalpolizei und des Bayerischen Landeskriminalamtes aus und machte dem Treiben am 3. März 1982 ein Ende.
Der Spuk hatte im Sommer 1981 begonnen. Erst kamen Anrufe mit verstellter Stimme, wenig später drangen die Worte von "Chopper", wie er sich selbst nannte, auch ins Sprechzimmer. Und obwohl der "Geist" die Patienten mit "Mach's Maul auf" oder "Du stinkst aus dem Maul" beleidigte, strömten immer mehr in die Praxis. Als die Medien "Chopper" für sich entdeckten, drehte er zur Höchstform auf. Angeblich quäkte er aus Spucknäpfen und Kloschüsseln.
"Es war ein ungeahnter Aufschwung für die Praxis. Alle wollten den Geist hören", erinnert sich Norbert Czerny. Der damals 38-jährige Kriminalhauptkommissar bei der Kripo Regensburg hatte am Rosenmontag 1982 die Sonderkommission übernommen und den Fall wenige Tage später gelöst: Zahnarzthelferin Claudia, ihr Chef und dessen Ehefrau hatten Patienten, Polizei, Medien und Parapsychologen mit bloßer Stimmakrobatik genarrt.
Verräterische Lippenbewegung
Czerny vermutet, dass Claudia den Spuk aus Geltungsbedürfnis inszeniert hatte. Den Beamten war nicht entgangen, dass der Geist immer nur dann sprach, wenn sie im Raum war. Als ein Kollege die Lippenbewegungen der Auszubildenden in einem Spiegel beobachtete, beendeten sie das Treiben. Das Trio endete vor Gericht: Die 16-Jährige wurde im Jugendverfahren verwarnt und musste 1500 Mark Geldbuße zahlen. Der damals 62-jährige Zahnarzt und seine ein Jahr jüngere Frau bekamen wegen Vortäuschung einer Straftat und Beleidigung eine Geldstrafe im fünfstelligen Bereich. Freiwillig ließen sie sich in die Psychiatrie einweisen.
Die Akte "Chopper" wurde geschlossen. Norbert Czerny verfolgte der Fall aber weiter. Monatelang bekam er Briefe und Anrufe von Menschen, die von übersinnlichen Phänomenen belästigt wurden. "Das hat mich sehr berührt, weil ich niemals geglaubt hätte, dass so viele Menschen darunter leiden." Heute aber hat er genug vom Spuk. dpa
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