Verkehr

Cannabis-Grenzwerte am Steuer

Ist Autofahren nach dem Konsum eines Joints erlaubt? Die wichtigsten Fragen und Antworten

Von 
Kai Wiedermann
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Cannabis-Konsum und Fahren: Der Bundestag hat Grenzwerte beschlossen. © MAGO/Carrera Porté

Berlin. Nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis kommen jetzt auch neue Vorgaben für Autofahrer. Der Bundestag hat Grenzwerte und Bußgelder festgelegt. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche Grenzwerte und Bußgelder gelten künftig?

Bisher galt die strikte Linie, dass schon beim Nachweis von Tetrahydrocannabinol (THC), das ist der berauschende Wirkstoff im Cannabis, Konsequenzen drohen. In der Rechtsprechung hat sich ein Wert von 1 Nanogramm je Milliliter Blutserum (ng/ml) etabliert. Künftig gilt laut Gesetz, das noch vom Bundesrat gebilligt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden muss: Wer vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 ng/ml THC oder mehr unterwegs ist, riskiert in der Regel 500 Euro Buße und einen Monat Fahrverbot. Die Schwelle folgt Empfehlungen der Expertenkommission des Verkehrsministeriums. Vergleichbar sei dieser Wert mit 0,2 Promille Alkohol und liege klar unter der Schwelle von 7 ng/ml, ab der eine Risikoerhöhung beginne. Für Fahranfänger und unter 21-Jährige soll weiterhin der Grenzwert von 1 ng/ml gelten.

Wie wirkt THC auf die Fahrtüchtigkeit?

Dass THC die Fahrtüchtigkeit beeinflusst, ist unbestritten. Und doch: Ein Vergleich mit Alkohol sei schwierig, weil die Wirkweise von THC anders sei. „Je mehr Alkohol ich trinke, desto höher wird die Blutalkoholkonzentration und umso stärker die Wirkung“, erklärt Professor Matthias Graw, Rechtsmediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGMV). Für THC gebe es diesen engen Zusammenhang nicht. „THC wirkt über Rezeptoren, verschwindet daher rasch aus dem Blut, reichert sich jedoch noch am Wirkort an“, so Graw weiter.

Die vom Bund eingesetzte Expertenkommission wies mit Blick auf Studien darauf hin, dass sicherheitsrelevante Effekte am stärksten 20 bis 30 Minuten nach dem Konsum von THC auftreten und nach drei bis vier Stunden wieder abklingen.

Experten wie Graw oder auch Jakob Manthey vom Zentrum für Suchtforschung an der Uni Hamburg weisen allerdings darauf hin: Die Länge der Wirkung hänge auch davon ab, wie und wie häufig Menschen THC konsumieren. „Um Verkehrsunfälle zu vermeiden, sollte zwischen dem Konsum und dem Führen eines Fahrzeugs mindestens sechs bis acht Stunden gewartet werden“, sagt Manthey. Wenn THC in Lebensmitteln konsumiert werde, etwa Backwaren oder Süßigkeiten, sollte eine Mindestwartezeit von acht bis zwölf Stunden eingehalten werden.

Die DGMV empfiehlt, eine Wartezeit von zwölf Stunden nicht zu unterschreiten. Bei täglichem Hochkonsum sei eine Verkehrsteilnahme grundsätzlich ausgeschlossen. Sie sollte dann erst nach einer wochenlangen Abstinenz wieder in Erwägung gezogen werden.

Was gilt beim Mischkonsum von Cannabis und Alkohol?

Eine neue Ordnungswidrigkeit stellt es künftig dar, wenn zum Kiffen auch noch Alkohol dazukommt. Hat man die Schwelle von 3,5 ng/ml THC oder mehr erreicht, gilt ein Verbot von Alkohol am Steuer – also, dass man die Fahrt antritt, obwohl man unter der Wirkung alkoholischer Getränke steht. Bei Verstößen droht ein höheres Bußgeld – in der Regel 1000 Euro.

Wie soll kontrolliert werden?

Bei Kontrollen sollen Speicheltests „als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums“ eingesetzt werden, wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt. Wenn jemand Anzeichen von Ausfallerscheinungen zeige, sei aber in jedem Fall eine Blutprobe erforderlich. „Im Ausland hat man gute Erfahrungen damit gemacht, so die akute Beeinträchtigung festzustellen“, sagt Bernd Werse, Leiter des Instituts für Suchtforschung in Frankfurt. „Allerdings erkennen auch Speicheltests nicht jeden akuten Konsum und schlagen auch in manchen Fällen falsch an“, sagt Jakob Manthey.

Was sagen Experten über den neuen THC-Grenzwert?

In der Wissenschaft wird kontrovers darüber diskutiert. Denn die THC-Konzentration im Blut hängt nicht nur von Menge und Zeitpunkt des letzten Konsums ab.

„Jemand, der täglich konsumiert und dessen letzter Joint schon einige Stunden her ist, hat vielleicht noch sieben, acht oder elf Nanogramm im Blut. Bei einem Reaktionstest würde er aber vermutlich nicht schlechter abschneiden, als jemand der gar nicht konsumiert hat. Das macht es sehr schwierig, einen allgemeinen Grenzwert festzulegen“, erklärt Bernd Werse.

Der Grenzwert von 3,5 ng/ml ist seiner Auffassung nach ein vernünftiges Maß. „Bei diesem Wert ist davon auszugehen, dass nur in absoluten Ausnahmefällen noch Beeinträchtigungen bestehen.“

„Die Entscheidung zur Erhöhung des Grenzwertes auf 3,5 ng/ml geht wohl zu Ungunsten der Verkehrssicherheit“, meint Matthias Graw. Denn damit bestehe die Gefahr, dass Personen, die gelegentlich Cannabis konsumierten, ermutigt würden, schneller danach wieder Auto zu fahren.

„Diese Menschen werden die Klientel sein, die uns Probleme machen wird, weil sie fahrunsicher sind. Diejenigen, die regelmäßig kiffen, haben bei diesen Konzentrationen eher weniger Ausfallserscheinungen.“ (mit dpa)

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