Verbrechen (mit Video) - Im September wurde eine Familie in den französischen Alpen erschossen

Bruder des Mordopfers in England verhaftet

Von 
Birgit Holzer
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Das Auto der getöteten Familie wurde nach dem Mord im September von einem Parkplatz im französischen Annecy von einem Lastwagen abtransportiert.

© dpa

Paris/Annecy. Der Vierfachmord war ebenso grausam wie rätselhaft: Nachdem im September ein Ehepaar und die Mutter der Frau in ihrem Auto auf einem Waldparkplatz in den französischen Alpen und ein offenbar zufällig dazugekommener Radfahrer erschossen aufgefunden wurden, während die beiden kleinen Töchter der Familie überlebten - eine davon schwer verletzt - suchte die Polizei fieberhaft nach Motiv und Täter. Ging ein wahnsinniger Killer in der Region um die ostfranzösische Stadt Annecy um, handelte es sich um einen Auftragsmord, spielten das familiäre Umfeld oder die irakische Herkunft der seit Jahren südlich von London lebenden Familie eine Rolle? Gestern verhaftete nun die britische Polizei den 54-jährigen Bruder des getöteten Vaters, Zaïd al-Hilli, im südenglischen Chessington und durchsuchte sein Haus und seinen Golf-Club.

Unmittelbar nach der Bluttat stand er bereits unter Verdacht und wurde intensiv vernommen, da es Streitigkeiten um das Erbe des zuvor verstorbenen Vaters gegeben haben soll. "Diese Festnahme bestätigt, dass die familiäre Spur die interessanteste ist", erklärte Eric Maillaud, der zuständige französische Staatsanwalt. Al-Hillis Schuld sei nicht erwiesen, aber es bestehe der Verdacht, dass er an einem Komplott beteiligt gewesen sei, auch wenn er ein Alibi habe.

"Heftiger familiärer Konflikt"

"Formale und schriftliche Beweise lassen keinen Zweifel mehr über den sehr heftigen familiären Konflikt zu, der die beiden Brüder über das Erbe ihres Vaters zerteilt hat." Dieses Erbe bestehe aus Immobilien und Geldanlagen mit einem Wert von insgesamt mehreren Millionen Euro. Erst kürzlich hatte es in den Medien geheißen, die Polizei verfolge eine Spur nach Rumänien.

Zahlreich waren die Spekulationen nach dem Mordfall, der die ganze Region in Furcht versetzt hatte. Den Ermittlern zufolge handelte es sich um einen einzelnen, sehr entschlossenen und brutalen, wahrscheinlich nicht professionellen Täter. Die Familie, die sich im Urlaub befunden und in einem Campingplatz gewohnt hatte, war während eines Ausflugs teils in ihrem Auto sitzend, teils davor erschossen worden. Körperlich unversehrt blieb nur die vierjährige Tochter, die sich unter den Beinen ihrer getöteten Mutter versteckt und dort acht Stunden lang ausgeharrt hatte, bis die Ermittler sie entdeckten.

Ihre siebenjährige Schwester wurde schwer verletzt vor dem Auto gefunden, ebenso wie ein Radfahrer aus der Region, der möglicherweise mit dem Leben dafür bezahlen musste, dass er zufällig Zeuge des Vorfalls wurde. Das ältere Mädchen konnte zwar nach einigen Tagen vernommen werden, doch erinnerte sie sich lediglich, sich mit ihrem Vater im Freien befunden zu haben, als dieser sie plötzlich schnell ins Auto schaffen wollte. Noch während er selbst auf den Fahrersitz sprang, traf ihn eine Kugel in den Rücken.

Die Ermittler sprachen von einem "Massaker". So hatte der Täter, da er keine Munition mehr hatte, der siebenjährigen Zahia mit dem Gewehrkolben ins Gesicht geschlagen, so dass sie einen Schädelbruch erlitt. Die Familie war wohlhabend und galt als integriert in Großbritannien.

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