Mannheim. Peter Graf ist tot. Der Vater der ehemaligen Tennis-Weltranglistenersten Steffi Graf erlag am Samstag im Alter von 75 Jahren in Mannheim einem Krebsleiden.
Im Sommer, am 18. Juni, ist er 75 geworden. Gut fünf Jahre ist es her, dass wir uns das letzte Mal begegnet sind. Es geht um einen Artikel zu seinem 70., selten hat mich ein Treffen mit einem Menschen so berührt. Dieser Mann, der mir da in abgewaschenen Jeans und blau-gestreiftem Kurzarmhemd gegenübersitzt, er ist so ganz anders als jener "Vater Graf", den ich von Fernsehbildern "kenne". Kein polternd-extrovertierter Dampfplauderer, "mein" Peter Graf ist sanft, schüchtern, fast scheu.
Er spricht leise, manchmal wird ihm die Stimme dünn und brüchig, dann etwa, wenn er über seine Kindheit redet. Die frühen Jahre in Friedrichsfeld, Nachkriegsdeutschland. Der Vater, sportlich, ein Erfolgstyp, er leitet das Sport- und Bäderamt in Mannheim. Die Mutter still, herzkrank, fragil. Dass seine Kindheit in einem Augenblick zerbrochen ist, sagt er mir, an Heiligabend entdeckt er, dass sein Vater eine Affäre hat. Vergöttert hat er ihn, jetzt entreißt ihm die Wirklichkeit unter entsetzlichen Schmerzen die Leitfigur. Peter flieht, keine reale Flucht, der Junge stürzt sich wie besessen auf den Sport, er, der exzellente Fußballer, trainiert härter als alle anderen. Hier begegnet uns zum ersten Mal jener erbitterte Kampf um Anerkennung, eine Besessenheit, die Peter Graf später noch vor sich hertreiben soll.
Peter ist gerade 19, da scheidet die Mutter in tiefer Depression aus dem Leben. Es kommt zum Bruch mit dem Vater, eine radikale Abkehr vom Vertrauten, von da an ist er auf sich gestellt. Er, der eigentlich Nähe braucht, muss sich lösen. Ein sanfter Junge will Härte zeigen. Er muss.
Unbedingter Wille zum Erfolg
Vieles bleibt unerzählt, die Hochzeit mit seiner ersten Frau Heidi, die Geburt der beiden Kinder Steffi und Michael, stattdessen: sein Aufstieg - und sein Fall. Mitte der 1970er Jahre entdeckt Peter Graf, der nach zwei komplizierten Beinbrüchen nicht mehr Fußball spielen darf und der sich dem Tennis zugewendet hat, beinahe unvermittelt das Talent der Tochter. Fast sieht man die bekannten Bilder vor sich bei seinen Erzählungen, wie Steffi da auf grobkörnigen Familienfilmen den abgesägten Schläger in den kleinen Händen hält und Bälle übers Netz schlägt.
Der Vater wird ihr Trainer und Manager, den Job als Versicherungskaufmann und als Sportwagen-Händler gibt er auf, die Tochter gewinnt jedes Turnier. Den unbedingten Willen zum Erfolg, in dem sich auch Peter Grafs frühes Ringen um Anerkennung zu spiegeln scheint, haben die beiden gemeinsam, er schweißt sie zusammen, als fast symbiotische Einheit erobern sie die Courts dieser Welt. Mit dem Erfolg kommt das Geld, Viele Millionen Tennis-Dollar legen Berater für ihn an. In den frühen 1990ern weckt das Vermögen das Interesse der Finanzbehörden - die "Causa Graf" treibt ihn vor sich her. Er, der bis zu seinem 45. Lebensjahr nie einen Tropfen getrunken hat, beruhigt seine Nerven mit Alkohol. Er trinkt viel zu viel, die Welt des Jetsets dreht sich immer schneller um ihn herum - und bleibt ihm dennoch fremd. Heidi und er haben sich längst auseinandergelebt in jenen Tagen, die Affäre mit einem Fotomodell, das behauptet, schwanger zu sein von ihm, bringt den Bruch. Der Boulevard hetzt ihn, dass er nicht der Vater des Kindes ist, interessiert kaum mehr.
Und es kommt noch schlimmer für ihn, er, der manches bereut, muss jetzt vieles büßen. 1997 wird er wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Hat es diese "Sonderregelung" mit Finanzbehörden gegeben, eine "Lex Graf", die dann aufgekündigt worden sei, und über die in jenen Monaten so viel spekuliert wurde? Peter Graf schweigt dazu - vor Gericht und in unserem Gespräch.
Er fährt ein, matt, verzweifelt, ohne Vorstellung von dem, was da kommt. Aber Britta, seine neue Liebe, und seine Kinder halten zu ihm, seine Seele hätten sie gerettet. Er will das durchstehen, und er schafft es. 1999, ein Jahr nach der vorzeitigen Haftentlassung, heiratet er Britta.
Als wir uns kennenlernen, hat Peter Graf seine Ruhe gefunden. Das Leben habe ihm ein spätes Glück geschenkt, es liege im Lachen der Enkel, in den Umarmungen der Kinder, in den Blicken der Frau. Jetzt ist dieses Leben zu Ende gegangen.
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