TV-Kult

40 Jahre Schwarzwaldklinik - Retro-Kult aus dem Glottertal

Im August 1984 begannen die Dreharbeiten für das beliebte TV-Format um Chefarzt Professor Dr. Brinkmann. Die Drehorte im Hochschwarzwald erlebten damals einen Ansturm der Fans. Zeitzeugen erinnern sich

Von 
Christine Brehm
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Fernsehärzte und Schwarzwald – für das deutsche TV-Publikum eine Traumkombination. Das Bild zeigt die Schauspieler Christian Kohlund (v.l.), Alexander Wussow, Gaby Dohm, Klausjürgen Wussow, Eva Habermann und Sascha Hehn bei Dreharbeiten zur Jubiläumssendung im Jahr 2004. © Rolf Haid/dpa

Glottertal. „Die Schwarzwaldklinik war wie eine Explosion! Auf einmal waren wir weltberühmt, das hatte sich ja niemand träumen lassen. Schon gar nicht hätten wir gedacht, welchen Aufwand Dreharbeiten bedeuten“, erinnert sich Hildegard Baschnagel an die erfolgreichste deutsche TV-Serie. Die Seniorchefin des Hotels und Forellengasthofs Tannenmühle in Grafenhausen im Hochschwarzwald weiß noch genau, wie vor 40 Jahren das Abenteuer begann. Im August 1984 starteten die Dreharbeiten vor dem Carlsbau im Glottertal und beim Heimatmuseum Hüsli in Grafenhausen. Wenn am Hüsli, dem Wohnhaus von Professor Brinkmann, gedreht wurde, kam das Team zum Essen in die Tannenmühle.

Wenn Sascha Hehn zu den Dreharbeiten am Hüsli anreiste und aus seinem Cabrio sprang, schrien die Frauen wie kleine Kinder, es war irre
Erich Strittmatter zuständig für Straßensperrungen damals

Doch nach den ersten Folgen und dem unglaublichen Erfolg mit Einschaltquoten um die 28 Millionen Zuschauer war es vorbei mit der beschaulichen Schwarzwaldidylle. „Ein Schwarm von Fans folgte den Darstellern vom Hüsli bis zu uns. Wir mussten weiträumig absperren und die Stars durch die Küche heimlich zu vorfahrenden Autos rauslassen. Danach stürmten die Anhänger unsere Stube und wollten unbedingt dort sitzen, wo Hauptdarsteller Klausjürgen Wussow saß und wie er eine Forelle blau essen“, erzählt die Tannenmüllerin. „Einmal Wussow sehen, dann sterben“, habe eine ältere Dame mal zu ihr gesagt. Neben Klausjürgen Wussow, alias Professor Brinkmann, war auch sein Filmsohn Udo Brinkmann, im wahren Leben Sascha Hehn, der Liebling der Fans. „Wenn er zu den Dreharbeiten am Hüsli anreiste und aus seinem Cabrio sprang, schrien die Frauen wie kleine Kinder, es war irre“, wundert sich Erich Strittmatter. Damals war er Mitarbeiter beim Bauhof der Gemeinde und organisierte Straßensperrungen oder ließ mit Hilfe der Feuerwehr einen Sonnentag in einen Regentag umwandeln.

Schaulustige mussten zurückgehalten werden

Überrascht, wie Schauspieler im wirklichen Leben sein können, war der damalige Bürgermeister Grafenhausens, Erich Kiefer. Da Hehn in der Serie zum Angeln ging, lud ihn Kiefer an den Schlüchtsee unterhalb des Hüslis ein. „In der Serie war seine Rolle anfangs recht arrogant und ich daher ziemlich skeptisch. Als ich Sascha Hehn traf, war ich platt, der war ein richtig passionierter Angler und dazu noch wahnsinnig nett.“

„Unsere schwierigste Aufgabe war es, den Ansturm an Schaulustigen bei den Dreharbeiten zurückzuhalten und für absolute Ruhe zu sorgen“, erklärt Strittmatter. „Im ersten Jahr konnten wir noch ein wenig zuschauen. Es war ja unglaublich, was das Fernsehteam aufgefahren hat und mit welchen Tricks sie gearbeitet haben“, erzählt er. So wurden unzählige Plastikblumen angekarrt, damit das Hüsli auch im Frühjahr nach Sommer aussah.

Noch heute kommt die überwiegende Zahl an Besuchern wegen Professor Brinkmann
Inge Gantert Heimatmuseum Hüsl

Besonders heiß her ging es 1986 bei der Einweihung des Klausjürgen-Wussow-Wegs in Grafenhausen nach der Ausstrahlung der ersten Folgen der Kultserie, die von 1985 bis 1989 gesendet wurde. „Es war gigantisch, was da los war“, erinnert sich der damalige Kurgeschäftsführer Volker Haselbacher. Bei der Einweihung kamen so viele Menschen, dass die Trachtengruppe sich in Reih und Glied einhaken musste, damit die Fans nicht die Bühne stürmten, auf der Wussow zum Ehren-Schwarzwälder ernannt wurde. Die Holzschilder, die den Wussow-Weg säumten, waren schon am Tag drauf verschwunden. „Jahrelang haben wir die Schilder immer ersetzt und am nächsten Tag waren sie wieder weg“, klagt Strittmatter. Sicher waren sie für Fans ein beliebtes Mitbringsel. Doch gab es auch Gegner, die die Schilder abschraubten. „Noch heute kommt die überwiegende Zahl an Besuchern wegen Professor Brinkmann“, erzählt Inge Gantert, die im Heimatmuseum Hüsli arbeitete.

Immer mal wieder reisten Busse mit Fans an. „Die Leute suchen dann den rostigen Nagel, an dem sich der Professor beim Bezug seines Hauses in der Serie den Daumen aufgerissen hat. Den Nagel gab es wirklich, aber inzwischen ist er entfernt.“ In der Folge „Die Wunderquelle“ pilgerten zum Entsetzen Professor Brinkmanns unzählige Menschen zu einer Quelle, aus der angeblich Heilwasser sprudelte. „Ich traute meinen Augen kaum, als auf dem Parkplatz im Glottertal ein Bus hielt, aus dem Damen mit leeren Flaschen ausstiegen, um sie mit dem Heilwasser zu füllen, das es nie gab“, erzählt Hubert Strecker, der sich die Wartezeit auf sein Lehrerreferendariat damals als Parkplatzwächter am Fuße der Klinik im Glottertal vertrieb.

Gästezahlen in der Region durch Schwarzwaldklinik sprunghaft angestiegen

Die Gästezahlen seien mit der Schwarzwaldklinik sprunghaft angestiegen. „In einer Zeit, in der Waldsterben ein riesiges Thema war, wir touristisch im Schwarzwald quasi am Ende waren und uns den Kopf zerbrachen, wie wir für Gäste wie der attraktiver werden könnten, da kam plötzlich die Schwarzwaldklinik wie ein unglaublicher Segen, der bis heute nachwirkt“, sagt Haselbacher.

Höhepunkt des Andrangs am Hüsli waren nach Angaben von Lina Heine vom Landratsamt Waldshut 120 000 Gäste im Jahr 1986. Die Schwarzwaldklinik sei mit rund 60 Prozent Einschaltquote die erfolgreichste fiktionale Fernsehsendung, sagt ZDF-Sprecher Christian Schäfer-Koch. Sie wurde in 43 Ländern ausgestrahlt. Im ersten Halbjahr 2024 sei die Kultserie in der Mediathek über vier Millionen Mal geklickt worden, und kein Ende ist in Sicht.

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