Viernheim. Eine haarsträubende Geschichte, die man sich als Roman oder Film vorstellen könnte, präsentierte der Historiker Peter Bilhöfer im Museum Viernheim. In den 1850er Jahren sorgte ein 15-Jähriger namens Peter Träger aus Viernheim für Aufsehen, indem er sich als Wunderheiler, Prediger und Seher inszenierte.
Vor allem die Damen hatten ein Auge auf ihn. Die 33 Jahre ältere Elisabeth Schäfer aus Heddesheim begann mit ihm sogar eine Affäre. An einem Tag im Februar 1854 lag ihr Ehemann, Georg Valentin Schäfer, von einer Axt erschlagen an einer Weggabelung der Viernheimer Straße, etwas außerhalb von Heddesheim. Der Verdacht fiel sofort auf Träger und die Ehefrau.
Der Fall sorgte für Aufsehen, füllte landesweit die Zeitungen, es gab viel Klatsch und Tratsch. Trotzdem ist die Geschichte in Vergessenheit geraten. Wer Peter Träger im Internet sucht, findet nicht viel. Das möchte Bilhöfer ändern. Er möchte den Personen wieder Leben einhauchen und ein Bild der damaligen Gesellschaft entstehen lassen.
Menschen sehnten sich nach Romantik und Spirituellem
„Herr Bilhöfer hat ein Näschen, aus Randnotizen spannende Geschichten herauszufiltern“, brachte es Elke Leinenweber, Leiterin des Museums, auf den Punkt. „Ich habe neue Sachen zum Propheten herausgefunden. Das, was ich heute präsentiere, ist historisch noch nicht abgeschlossen“, meinte Bilhöfer.
Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte bittere Armut in Viernheim und Umgebung. Ein Grund war die Grenzziehung von Baden, Hessen und der Pfalz, die Einschränkungen und viel Bürokratie mit sich brachte. Die Industrielle Revolution war im Gange, die Menschen sehnten sich nach Romantik und Spiritismus. Wunderheiler und Quacksalber hatten Hochkonjunktur. Träger, geboren 1836, war so arm, dass er als Kind einen Bettelbrief erhielt und mit einem dressierten Taubenpaar als Straßenkünstler auftrat. „Mit 14 wechselte er dann zum Prophezeiten und zu Séancen“, so Bilhöfer.
Der gut aussehende junge Mann, der ein Talent hatte, sich in Szene zu setzen, wurde in bürgerliche Haushalte eingeladen, nach Heddesheim, Ladenburg und Mannheim. Die Mannheimer ließen ihn sogar mit einer Kutsche holen.
Elisabeth Schäfer (1803-1860) lockte Träger in ihr Haus mit dem Vorwand, Geistererscheinungen zu haben. Damit begann der Strudel aus religiösem Wahn und verhängnisvoller Affäre. Irgendwann schmiedete Schäfer Mordpläne und zog Träger mit hinein, der den Mord durchführen sollte. Am 19. Februar 1854 passierte schließlich die Tat. Die beiden wurden schnell gefasst.
Ein Kreuz am Straßenrand in Heddesheim erinnert an den Mord
1855 begann der Prozess am Hofgericht in Mannheim. Träger gestand alles und inszenierte sich als Opfer, als Werkzeug einer perfiden Frau, Schäfer zeigte sich als „Jammergestalt“, so die Akten. Während des Prozesses musste der Saal wegen Zwischenrufen und „Heiterkeitsausbrüchen“ öfter geräumt werden. Träger kam mit 18 Jahren „Zucht- und Besserungsanstalt“ davon, Schäfer bekam lebenslänglich und starb fünf Jahre später im Gefängnis.
Die Spur des ehemaligen „Propheten von Viernheim“ verliert sich nach seiner frühzeitigen Entlassung in Bremen - er soll in die USA ausgewandert sein. Am mutmaßlichen Tatort in Heddesheim steht noch heute ein Kreuz, das dem Historiker Rätsel aufgibt, da Sockel und Kreuz aus verschiedenen Epochen stammen und der Name des Opfers fehlt.
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