Austausch

Viernheimer Albertus-Magnus-Schule begrüßt Schüler aus der Ukraine

Das Gymnasium hat 25 Jungs und Mädchen aus der westukrainischen Stadt Ivano-Frankivsk eingeladen und kurzerhand noch einen Spendenlauf organisiert

Von 
Sandra Usler
Lesedauer: 
Die Albertus-Magnus-Schule hieß 25 Schülerinnen und Schüler willkommen. © Sandra Usler

Viernheim. „Als die Schüler ein Flugzeug am Himmel gesehen haben, hatten sie große Angst. Bei uns fliegen ja keine Flugzeuge mehr, nur Raketen…“ Iryna Pylypiuk erzählt von der Fahrt aus der Ukraine über Polen nach Deutschland, aus dem kriegsgebeutelten Land nach Viernheim.

25 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen aus dem Katholischen Gymnasium des Hl. Basilius des Großen in der westukrainischen Stadt Ivano-Frankivsk sind in dieser Woche Gäste der Albertus-Magnus-Schule (AMS). Für die Ukrainer ist der Besuch die Gelegenheit, ein anderes Land und eine andere Schule kennenzulernen.

Spontan hat die AMS einen Spendenlauf auf die Beine gestellt. © Sandra Usler

„Die Schüler verstehen schon viel auf Deutsch“, sagt Lehrerin Iryna Pylypiuk nach den ersten Tagen in Viernheim, „aber auf Englisch geht die Verständigung noch besser.“ Das wird ab der ersten Klasse in der Ukraine unterrichtet, während die katholische Privatschule Deutsch als zweite Fremdsprache ab der fünften Klasse anbietet.

Vor allem dient die Woche dazu, um zur Ruhe zu kommen. „Bei uns ist fast jeden Tag Luftalarm“, berichtet Iryna Pylypiuk. Wenn der Alarm los geht, müssen alle 365 Schüler des Gymnasiums in den Luftschutzraum. „Es ist ein großer Gewölbekeller, in dem nur Bänke und Stühle stehen. Unterricht können wir da nicht machen, sondern einfach nur warten, bis der Alarm zu Ende ist.“ Das könne zwei oder drei Stunden, manchmal auch länger dauern. Die Schüler dürfen anschließend nicht einfach nach Hause, sondern müssen von den Eltern abgeholt werden. Im ersten Jahr nach Kriegsausbruch fand der Unterricht nur online, nicht in Klassensälen statt. „Aber es muss ja irgendwie weitergehen, deswegen sind wir wieder an der Schule“, berichtet die Lehrerin.

In der Westukraine ist man vom direkten Kriegsgeschehen nicht betroffen – noch nicht. In den letzten Wochen habe es aber auch im Westen immer mehr Raketenangriffe und Explosionen gegeben. „Wir dürfen unsere Häuser zu bestimmten Zeiten nicht verlassen“, sagt Iryna Pylypiuk. Außerhalb dieser Zeitfenster und ohne Fliegeralarm versuche man, ein normales Leben zu führen, mit Schulunterricht am Vormittag und Nachmittagsaktivitäten für die Kinder und Jugendlichen.

Für Pylypiuk ist der Krieg trotzdem allgegenwärtig: Viele Familienmitglieder sind beim Militär und kämpfen an der Front. Schulleiter Markian Bukatchuk konnte nicht mit nach Viernheim kommen – die Ukraine lässt keine Männer ausreisen, weil sie zum Kriegsdienst eingezogen werden könnten. Dabei hat der Schulleiter den Kontakt zur AMS hergestellt. „Im März hat er per Mail angefragt, ob wir uns eine Partnerschaft vorstellen könnten“, berichtet AMS-Schulleiter Tobias Gloor bei der offiziellen Begrüßung der ukrainischen Gäste in der Schule vom Anlass des Besuchs.

In einer Zeit, in der Partnerschulen im Ausland immer schwieriger zu finden seien, sei dies ein „Zeichen des Himmels“ gewesen. Schnell wurde der Besuch im September organisiert, Gastfamilien wurden gesucht und gefunden und vom Schulseelsorgeteam um Simone Muth das Programm zusammengestellt. Neben der Teilnahme am Unterricht fahren Gäste und Gastgeber auch nach Heidelberg und feiern am Donnerstag, 5. September, 19 Uhr, einen Gottesdienst in der Apostelkirche.

„Partnerschaften sind wichtige Angelegenheit für die Stadt“

„Partnerschaften sind eine wichtige Angelegenheit für die Stadt Viernheim“, betont auch Bürgermeister Matthias Baaß und freut sich über die Kooperation mit einer Schule in der Ukraine. Die Zahl ukrainischer Staatsbürger in Viernheim habe sich seit Kriegsbeginn vor zweieinhalb Jahren mehr als verdoppelt, rund 800 Ukrainer leben in der Brundtlandstadt. Der Schule und den Gastfamilien dankt Baaß besonders: „Sie ermöglichen den Kindern und Jugendlichen den Austausch der Völker.“

Der Austausch zwischen den Schulen soll aber nicht nur persönlich und inhaltlich erfolgen, das ukrainische Lyzeum hat das Viernheimer Gymnasium auch um finanzielle Hilfe gebeten. Der karge Keller soll so ausgestattet werden, dass die Schüler beim Luftalarm angemessen beschäftigt werden können.

Da stieß man bei der AMS auf offene Ohren: Das Gymnasium organisierte kurzfristig am Mittwoch einen Spendenlauf, die AMSeln drehten ihre Runden für den guten Zweck. Die Sportlehrer haben eine 700 Meter lange Route um das Schulgebäude festgelegt, und glücklicherweise hörte pünktlich der Regen auf, so dass der Spendenlauf wie geplant stattfinden konnte.

Nacheinander gingen die Klassenstufen an den Start, jeder Schüler hatte eine Laufkarte dabei. Für jede absolvierte Runde gab es einen Stempel. Die Schüler hatten sich vorab „Sponsoren“ für ihren Lauf gesucht – Eltern, Großeltern, Verwandte oder Nachbarn hatten entweder Festbeträge ausgemacht oder eine Summe pro Runde zugesagt. Das spornte die Schüler natürlich an, möglichst viele Stempel zu sammeln.

Wie schnell die AMSeln an dem Vormittag unterwegs sein wollten, konnten sie selbst bestimmen. Viele schlenderten um das Schulhaus, manche sogar in Straßenschuhen und mit dem Regenschirm in der Hand, andere waren ambitionierter und machten in Sportklamotten und Laufschuhen ordentlich Tempo.

Viele, viele Kilometer kamen beim Spendenlauf zusammen, einige AMS-Lehrer sammelten Runden und auch die ukrainischen Gäste rannten mit. „Wir haben ihnen den Spendenlauf erklärt“, sagen Iryna Pylypiuk und ihre Kollegin Olena Kovaliuk. Sie waren wie die gesamte AMS-Schulgemeinde gespannt auf das finanzielle Ergebnis des Spendenlaufs, das in ein paar Tagen feststehen wird.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Südhessen Morgen

VG WORT Zählmarke