Offizialdelikt

Übergriff in Viernheim nach „L’amour toujours“

"L'amour toujours" wird mit rassistisch umgedichtetem Text nicht nur auf Sylt gegrölt, sondern auch in Viernheim. Am Wochenende ist die Situation eskaliert

Von 
Bernhard Zinke
Lesedauer: 
Das Lied „L’amour toujours“ ist in aller Munde – sehr oft mit rassistischem Text. © ZYX

Viernheim. Die „Pony-Bar“ in Sylt ist kein Einzelfall. Mittlerweile grölen landauf, landab meist junge Leute - und das vorwiegend in enthemmtem alkoholisierten Zustand - das Lied „L’amour toujours“ von Gigi d’Agostino. Leider eben nicht mit dem Originaltext, sondern den rassistischen Zeilen „Deutschland den Deutschen - Ausländer raus“. Für die Ermittlungsbehörden ist das ein strafrechtlich relevanter Fall - der Vorwurf lautet auf „Verdacht der Volksverhetzung“. „Das ist aktuell ein sehr relevantes Thema“, bestätigt der Darmstädter Oberstaatsanwalt und Behördensprecher Robert Hartmann auf Anfrage dieser Zeitung. Der Staatsanwaltschaft liegen auch schon einige Anzeigen vor. Es werde ermittelt, aber noch sei keine Anklage erhoben worden, geschweige denn ein Verfahren abgeschlossen. „Dafür ist das Thema einfach noch zu frisch“, sagt Hartmann.

Es könnte ein weiterer Fall auf dem Schreibtisch des Behördensprechers landen. Denn auch in Viernheim hat es am Wochenende einen Vorfall gegeben, bei dem es allerdings nicht nur beim Absingen der rassistischen Parolen blieb, sondern die Polizei nun auch wegen Körperverletzung ermittelt. Zwei Anzeigen liegen laut Polizeisprecher Bernd Hochstädter vor, eine weitere könnte noch kommen.

„L’amour toujours“ - mit dem fremdenfeindlichen Text in Viernheim

Laut übereinstimmenden Beschreibungen von Zeugen und Betroffenen feierten nachts um 2 Uhr rund 20 bis 30 junge Erwachsene in einem privaten Hof in der Lampertheimer Straße und grölten eben das Lied „L’amour toujours“ - mit dem fremdenfeindlichen Text. Das hörte ein 31-jähriger Mann, der mit seiner Frau gerade vom Stadtfest zu seinem Auto lief und nach Hause fahren wollte. Er forderte die Schar auf, das Singen des Textes zu unterlassen. „Ich habe das nicht leise gesagt, aber auch nicht gebrüllt“, berichtet er im Gespräch mit dieser Redaktion.

Dann sei alles sehr schnell gegangen, beschreibt Lisanne Schulte, die mit ihrer Freundin zufällig am Tatort unterwegs war und Augenzeugin des Geschehens wurde. Unmittelbar begann ein Gerangel, bei dem der 31-Jährige einen kräftigen Stoß und einen Hieb ins Gesicht erhielt, mit dem Kopf zuerst auf sein Auto und dann auf den Boden aufschlug. Dort blieb er regungslos liegen. Die meisten Partygäste flüchteten daraufhin, kamen kurz danach wieder zum Tatort zurück. Sie umkreisten das Opfer, das wieder auf den Beinen war, um es weiter massiv körperlich zu bedrängen. In dieser Situation kam dessen Schwager dazu und ging dazwischen. Auch er bekam sofort einen Faustschlag ins Gesicht.

Dann kam die Polizei dazu und versuchte die Situation zu entschärfen. Allerdings äußern die Zeugen deutliche Kritik an dem Verhalten der Ordnungskräfte. Zum einen habe ein Teil der Partygäste im Beisein der Beamtinnen und Beamten weiter skandiert „Ausländer raus, Ausländer raus“, ohne dass die Polizei davon erkennbar Notiz genommen, geschweige denn die Parolen unterbunden habe. Auch Zeugenaussagen zu den Vorfällen hätten die Beamten nicht entgegennehmen wollen, sagt Lisanne Schulte. Stattdessen hätten die Polizisten einen Platzverweis ausgesprochen „Wir wurden wie Täter behandelt“, sagt sie empört.

Der 31-Jährige erlitt eine Platzwunde am Hinterkopf und durch den Faustschlag ins Gesicht ein blaues Auge. Am Sonntag ging er mit den Verletzungen ins Krankenhaus . Es könne durchaus sein, dass sein Jochbein gebrochen sei, mutmaßten die Ärzte. Da er auch am Montag noch schlimme Rücken- und Kopfschmerzen hatte, wird er an diesem Dienstag nochmal zum Arzt gehen, sagte er. Auch sei er entsetzt, dass die Beamten so gar nicht auf die deutlich vernehmbaren rassistischen Parolen reagiert hätten. „Das hat mich schockiert“, sagt er. Sein Schwager wird nun auch Strafanzeige bei der Polizei stellen.

Polizeisprecher Hochstädter betätigt, dass zwei Körperverletzungsanzeigen vorliegen. Die Tatverdächtigen seien identifiziert. Gegen sie werde nun ermittelt. Über das Verhalten der Kollegen im Einsatz kann Hochstädter noch nichts sagen. Dazu müssten die Kolleginnen und Kollegen erst gehört werden.

Bei Offizialdelikt muss die Polizei ermitteln

Auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg kennt Fälle im unteren zweistelligen Bereich, bei denen der Song mit den rassistischen Zeilen gegrölt wurde. In allen Fällen obliege die strafrechtliche Würdigung den örtlichen Staatsanwaltschaften. Geprüft werde der Straftatbestand der Volksverhetzung. Dieser stellt ein Offizialdelikt dar, was bedeutet, dass die Polizei ermitteln muss. Eine „Handlungsanweisung“ der Polizei oder des Landeskriminalamts im Umgang mit dem Phänomen gebe es nicht, so ein Sprecher des Mannheimer Polizeipräsidiums. Das sei normaler Polizeialltag. Die „Sänger“ würden nach den polizeilichen Ermittlungen bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft angezeigt.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke