Zeitreise

So musizierten junge Bands im Viernheim der 1960er Jahre

Walter Helbig und Herbert Haas schwelgten in Erinnerungen, wie sie in den 1960er Jahren ihre Musikkarriere in Viernheim gestartet haben. Und sie ließen ein Publikum daran teilhaben

Von 
Katja Geiler
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Horst Stephan (v.l.), Walter Helbig und Herbert Haas denken an ihre musikalischen Anfänge in den 1960er Jahre zurück. © Katja Geiler

Viernheim. Mit „Viernheimer Beats“ konnten die Gäste im Stiftungshaus eine musikalische Zeitreise in die 1960er und frühen 1970er mit Walter Helbig und Herbert Haas erleben. Dazu luden der Verein Lernmobil und das Stadtmuseum ein.

Im Rahmen der Reihe „Viernheimer Original“ schauten Helbig, auch bekannt als „Kippe“, und Haas auf eine Zeit zurück, in der es für Jugendliche ein großer Traum war, in einer Beat-Band zu spielen. Die Hindernisse waren groß, vor allem in Sachen Mobilität, doch wer jemanden kannte, der einen Führerschein und ein Fahrzeug hatte, mit dem man Equipment transportieren konnte, hatte Glück. Wer dann noch musikalisches Talent mitbrachte, wurde umso häufiger für Auftritte gebucht.

Moderiert wurde der Abend von VHS-Leiter Horst Stephan. Zur Einführung erklang „Sie liebt dich“ von den Beatles, und im Publikum tauchten fragende Gesichter auf. „Doch, das waren die Beatles, die haben auch Deutsch gesungen“, sagte Stephan und übergab das Wort an Herbert Haas, der damals als Bandmanager tätig war, unter anderen für die Schülerband The Shapes. „Die Shapes spielten zum ersten Mal in Franconville, Viernheims Partnerstadt, danach im Tennisclub, und dann war auch schon Ende. Es gab keine Proberäume und keine Transportmöglichkeiten für Musikanlagen. Wir hatten keinen Führerschein und kein Auto“, blickt Haas zurück. „Im Rosengarten gab es Wettbewerbe für junge Bands. Wer den ersten Platz belegte, bekam einen Plattenvertrag. Es spielten 15 Bands, ohne Gage.“ Alle wollten so sein wie die Beatles. „Anfang der 60er war schon die Musikszene am Start, die Beatles spielten noch in Hamburg. Zuerst coverten sie die Rock’n’Roll-Klassiker, ab 1962 komponierten sie selbst.“

Stil der Bands aus den USA zunächst dominant

Auch Helbig, Jahrgang 1950, war mit elf Jahren schon Beatles-Fan. „Ich habe sie im Radio gehört, das war eine ganz andere Art von Musik, die damals in England entstand. In Deutschland konnte sie nicht entstehen wegen der Nachkriegszeit. Hier übernahmen die Bands den Stil aus den USA.“

Helbig kam aus einem musikalischen Elternhaus und begann schon mit elf Jahren, Schlagzeug zu spielen, er war Mitglied in mehreren Bands. In Viernheim gab es einen Musiktempel namens „Freischütz“. Im Publikum erinnerten sich noch viele genau an den Standort in der Wasserstraße. „Anfang der 1960er Jahre spielten dort Combos, und wir kamen mit Beat“, so Haas. „Wir konnten den Wirt überreden, uns dort zum Tanztee am Sonntagnachmittag spielen zu lassen.“ Der Gitarrist, Rolf Henning, sei erst 14 gewesen, seine weiblichen Fans schon 17 oder 18. „Einmal rief jemand die Polizei an und meinte, hier spiele jemand, der noch keine 16 ist. Rolf musste nach Hause zu seinen Eltern, und ich verhandelte mit der Mutter, dass er wieder auf die Bühne durfte. Er spielte danach versteckt hinter dem Verstärker.“

Die größte Konkurrenz der Shapes waren in Viernheim die Torrids, die etwas souliger klangen. Anfang der 1970er ging Helbig in die psychedelische Richtung und war mit dem Organisten Günther Kühlwein musikalisch experimentell unterwegs als Minus Two. Beide erhielten jeweils eine Professur an der Universität Bern. Noch heute ist Helbig Dozent für Schlagzeug an der städtischen Musikschule Viernheim.

Freie Autorin Ich schreibe für alle Mannheimer Stadtteile und für Viernheim

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