Seit 2013 wird der „Pott“ verliehen. Auf dem Siegerschild steht immer der gleiche Name: OSG Baden-Baden. Nur 2016 ging die silberne Bundesligatrophäe nach Solingen. Doch für 2024 musste der Graveur die jahrelange Routine überwinden: Erstmals in seiner langen Biografie hat sich der Schachclub Viernheim 1934 mit einer grandiosen Saison den Deutschen Meistertitel gesichert. Am Ende stand die Erste Mannschaft mit perfekten 30:0 Punkten uneinnehmbar an der Tabellenspitze. Die Krönung einer langen und erfolgreichen Reise durch das nationale Schach-Oberhaus.
Empfang mit Panoramablick in der vierten Etage der Rathaus-Ellipse
Es sei der Traum eines jeden Bürgermeisters, einmal einer heimischen Mannschaft auf einem Rathaus-Balkon zum Meistertitel zu gratulieren, sagte Matthias Baaß beim offiziellen Empfang der Champions in Anspielung an bekannte Fußball-Rituale von Frankfurt bis München. Auch in Viernheim ist das nun kein Problem mehr, denn seit dem Umzug großer Teile der Stadtverwaltung in die Büro-Ellipse im Bannholzgraben öffnet sich in der vierten Etage ein wunderbarer Panoramablick auf die Silhouette der Bergstraße.
Eine ideale Kulisse, um den Höhenflug des SC Viernheim standesgemäß zu würdigen. Gemeinsam mit Erstem Stadtrat Jörg Scheidel empfing Baaß am Dienstag den Deutschen Mannschaftsmeister zur offiziellen Ehrung hoch über der Stadt. Es war der erste Termin dieser Art im frisch bezogenen Komplex am Alten Weinheimer Weg.
Der Bürgermeister würdigte aber nicht nur den sportlichen Erfolg in der Saison 2023/24, sondern auch die Art und Weise, wie der Club den Denksport nach innen und nach außen repräsentiert und in der Öffentlichkeit darstellt. Beispielhaft nannte er die zentralen Bundesligarunden Mitte Februar im Viernheimer Bürgerhaus, die eine enorme mediale und öffentliche Resonanz erzielt hatten, nachdem der Club die Teilnahme von Topspielern wie Hikaru Nakamura, Weltranglistendritter und internationaler Streamer-Star, oder Vincent Keymer offensiv angekündigt hatte. Der Event wurde weltweit gestreamt und sorgte für maximale Aufmerksamkeit.
Besser könne man das nicht machen, so Matthias Baaß über einen Verein, der mit aktuell rund 120 Mitgliedern in sechs Erwachsenen-Mannschaften sowie einem Jugend-Team von der Kreisklasse B bis zur 1. Bundesliga vertreten ist.
Nach einer langen Vorgeschichte – in Viernheim wird seit fast 100 Jahren ambitioniert Schach gespielt – übernahm 2011 ein neues Team unter Leitung von Stefan Schmidt die Führung des Schachclubs, was zu einer spürbaren Intensivierung der Vereinsaktivitäten geführt hatte. In der Saison 2012/13 gelang der zweite Aufstieg in die Erste Bundesliga. Außerdem war es gelungen, das Frankfurter Beratungsunternehmen d-fine als langfristigen Sponsor an den Verein zu binden. In der Saison 2017/18 wurde der Schachclub Meister in der 2. Bundesliga Süd und stieg daraufhin zum dritten Mal auf.
Verein ist breit aufgestellt und gut vernetzt in der Szene
Heute ist der SC ein kerngesunder Verein mit breit aufgestellter Jugendarbeit, prominenten Kontakten zu Hochschulen sowie vielfältigen Turnierangeboten und starken Mannschaften durch alle Klassen. Dass die Bundesliga-Spieler die abgelaufene Saison verlustpunktfrei bewältigt und dabei auch noch den Seriensieger Baden-Baden entthront haben, ist schon jetzt ein Meilenstein in der Historie des Clubs, der das Metallschild mit den Siegernamen 2021 auf dem Henkelpott gerade hat neu gravieren lassen, um ein ästhetisch einheitliches Schriftbild zu gewährleisten. Auch das offenbart die Liebe und Leidenschaft eines im positiven Sinne ehrgeizigen Vorstands für das königliche Spiel.
Rein sportlich beeindruckt die Dominanz der Viernheimer in der wohl stärksten Schachliga der Welt. Torben Kruhmann, Vorsitzender des Sport- und Kulturausschusses, betonte eine makellose Saisonleistung, die in Hannover bei den zentral gespielten letzten beiden Runden mit dem Titel belohnt wurde.
Zum Abschluss hat der SC die Matches gegen Werder Bremen und Kirchweyhe deutlich gewonnen und sich unverrückbar an der Tabellenspitze positioniert. Bereits nach dem Sieg gegen Bremen war das Thema durch: Drei hart erarbeitete Punkte Vorsprung auf Baden-Baden nur eine Runde vor Schluss.
Teamchef Stefan Martin nutzte den Pressetermin im Rathaus, um allen Vorstandskollegen und Spielern für eine exzellente Saison zu danken. Aber auch die Stadt spielte in der Rede des Vorsitzenden eine wichtige Rolle. Es sei hoch anerkennenswert, wie man in Viernheim den Schachsport fördere. Das Bürgerhaus sei immer wieder eine Top-Location für den Club und seine Gäste. „Nur so ist es möglich, regelmäßig große Events in die Stadt zu holen“, so Martin, der seinen Verein bestens aufgestellt sieht. Es gebe gefestigte Vereinsstrukturen und viele erfahrene Spieler, von denen nicht wenige in der überregional bekannten Schach AG der Albertus-Magnus-Schule angefangen hatten. Ein schulisches Langzeitprojekt mit enormem Effekt auf die lokale Szene, so Martin, der trotz des Meistertitels realistisch auf die nächste Saison blickt: „Wir werden die Gejagten sein!“
Als Favorit gehe man aber kaum ins Rennen, was der Chef eher als mentalen Vorteil sieht. Dennoch sei die Titelverteidigung das klar definierte Ziel des SC, der nun mit breiter Brust in die nahe Zukunft blickt. Wichtiger als Baden-Baden erneut vom Sockel zu schubsen, sei eine gesunde Konkurrenz im Oberhaus. Viernheim sorge dafür, dass es spannend bleibt und es an der Spitze wieder mehr Dynamik gibt. Es ist wie im Fußball: Der Bruch in der Serie des FC Bayern in puncto Deutscher Meister-Titel wertet letztlich die gesamte Liga auf.
Erste Bundesliga wird durch gute Aufsteiger noch herausfordernder
Dass es nicht unbedingt einfacher wird, machte er an aktuellen Entwicklungen im Schach deutlich. Mit dem Düsseldorfer SK steige ein Team auf, das als eine der stärksten Vereinsmannschaften der Welt gelte. Am Tisch viele indische Nationalspieler und ein Weltmeister.
Auch Magnus Carlsen kehrt nach 15 Jahren zurück. Der Weltranglistenerste und mehrfache Weltmeister wird für den Aufsteiger FC St. Pauli spielen. Möglich wird das durch die Verbindung zum Hamburger Unternehmer Jan Henric Buettner. Der Schachbundesliga steht eine Saison bevor, in der die stärkste Liga der Welt noch stärker sein wird. In den Kadern wird die Weltspitze fast komplett versammelt sein. Für den SC eine veritable Herausforderung. Es bleibt spannend. Doch erstmal bleibt der Pott in Viernheim.
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