Der IT-Branche in Deutschland geht es gut. Auch dieses Jahr dürfte der Markt für Informationstechnologie schneller wachsen als die Gesamtwirtschaft. Aber bleibt das so? Darüber machen sich viele in der Branche Gedanken. Denn auf jeden arbeitssuchenden Informatiker kommen in Deutschland durchschnittlich 3,7 offene Stellen. Geschätzte 43 000 Arbeitsplätze können nicht besetzt werden. Der Verband Bitkom warnt, der Fachkräftemangel entwickle sich zu einem dauerhaften Wachstumshemmnis.
"Gerade für mittelständische Unternehmen wird es immer schwerer, neue Mitarbeiter für die IT zu bekommen", sagt Matthias Blatz, Geschäftsführer von Heidelberg iT. Unternehmen müssten deshalb neue Wege gehen, um auf Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv zu wirken. Heidelberg iT ist Service-Dienstleister und Betreiber von Rechenzentren, das Unternehmen beschäftigt rund 20 Mitarbeiter. Man hat schon Erfahrungen mit Arbeitskräften aus Polen, Russland, Türkei und Argentinien gesammelt.
Erst vor Kurzem ist Blatz nach Kroatien gereist, zur Algebra-Universität nach Zagreb. Sie ist in dem Land die einzige Hochschule mit dem Schwerpunkt Informationstechnik. Der Kontakt war über eine Recruting-Firma zustande gekommen, die sich darauf spezialisiert hat, junge Nachwuchskräfte zu vermitteln. Etwa hundert Studenten im Hörsaal (und noch mal so vielen vor einem Livestream im Internet) überbrachte Blatz die klare Botschaft des deutschen IT-Arbeitsmarkts: "Bei uns gibt es die Jobs."
Die angehenden Informatiker scheinen sehr wohl wahrzunehmen, dass die Chancen in Deutschland größer sind als etwa in den USA oder in Großbritannien. Zudem schätzen sie laut Blatz die ähnliche Mentalität von Kroaten und Deutschen und die relativ kurze Entfernung in die Heimat. "Viele haben bereits Verwandte in Deutschland", erklärt Blatz.
Neben einem Studienabschluss sind vor allem ausreichende Sprach-Kenntnisse wichtig, um nach Deutschland auszuwandern. Englisch alleine reiche nicht, sagt Blatz. Wer hierzulande arbeite, müsse auch innerhalb des Teams kommunizieren, dafür sei Deutsch unverzichtbar. Zudem werde die Sprache auf der technischen Seite immer wichtiger: "Dadurch, dass beispielsweise Microsoft seine Produkte übersetzt hat - viele Worte aber nicht wörtlich übersetzt sind - müssen die Bewerber aus dem europäischen Ausland unbedingt sehr gute Deutsch-Kenntnisse mitbringen oder aufbauen." Algebra-Vorstandsmitglied Hrvoje Balen hatte damals nach dem Besuch von Heidelberg iT gesagt, die Universität in Zagreb wolle die Zusammenarbeit ausbauen. Für Blatz ein Muss. Denn seiner Ansicht nach wird sich der Fachkräftemangel in der IT-Branche bis Jahresende weiter verschärfen. Wenn Personalmangel herrscht und selbst die eigene, interne IT nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, wandern Unternehmen ins Ausland ab. Der Standort Deutschland ist der Verlierer.
"Ohne IT funktioniert heute so gut wie keine Firma mehr", sagt Blatz. Die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe möglicher neuer Mitarbeiter aus dem Ausland sieht als Chance.
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