Jürgen Stuber muss in seinem Job auch Psychologe sein. "Da fließen schon einmal Tränen", sagt der 47 Jahre alte Mannheimer, der ein auf Haushaltsauflösung spezialisiertes Unternehmen betreibt. Er wird gerufen, wenn Senioren nicht mehr in ihrer Wohnung bleiben können und in ein Altersheim umziehen müssen. "Das ist nicht einfach. Die Menschen haben hier jahrzehntelang gelebt. Die Kinder sind in den Häusern und Wohnungen aufgewachsen."
Wenn der 47-Jährige die ältere Dame besucht, und mit ihr und der Tochter die Wohnungsauflösung bespricht, dann nimmt er sich dafür Zeit. "Ich will klar machen, dass der Umzug doch auch ein Neuanfang ist und dass sie nicht alleine sind." Die persönliche Nähe ist Teil von Stubers Dienstleistung. Sie ist ihm wichtig. Schließlich dringt er bei der Arbeit tief in die Privatsphäre seiner Kunden ein. "Ich muss jeden Schrank aufmachen."
Seine zwölf Mitarbeiter und er räumen innerhalb eines Tages Wohnungen und ganze Häuser leer. Viele Möbel wandern dabei auf den Müll, andere ziehen mit dem Senior an einen neuen Ort. Was sich noch verkaufen lässt, nimmt Stuber in Zahlung. Doch auch hier braucht er Fingerspitzengefühl, wie er sagt. "Ein Wandschrank, Eiche rustikal, der einmal 30 000 DM gekostet hat, ist heute nichts mehr wert. Das können viele ältere Menschen nicht verstehen", sagt der 47-Jährige. Meist nimmt er das alte Stück dann trotzdem in Zahlung - zu einem symbolischen Preis. "Das tut niemandem weh", sagt Stuber und zuckt mit den Schultern.
Jeden Donnerstag ab 12.30 Uhr verkauft er auf dem Gelände seines Betriebs in der Landzungenstraße 9 die alten Möbel. In einer 1000 Quadratmeter großen Halle lagert er Kronleuchter, Porzellan, Kühlschränke, Gemälde und Sessel. Auf einem Regal stehen ein Dutzend Pedal-Nähmaschinen des Herstellers Pfaff aus Kaiserslautern. "Die lassen sich kaum noch verkaufen, aber zum Wegschmeißen sind sie zu schade." Auch Hunderte Bücher hat Stuber aufgehoben. "Ich kann Bücher nicht in den Müll geben - auch wenn ich für das Altpapier Geld bekäme."
Neben der Entsorgung von Möbeln demontiert sein Unternehmen Herde und Öfen, entfernt Teppichböden und Tapeten. Er und seine Mitarbeiter haben entsprechende Schulungen absolviert. "Die Wohnung übergeben wir besenrein", sagt er. Stuber hat sich zudem zu einem sogenannten mobilen Wohnberater weiterbilden lassen. Das ist ein Service, den die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald ins Leben gerufen hat. So gibt er Tipps fürs Wohnen im Alter.
Selbst wenn der Auftrag längst abgeschlossen ist, bleibt Stuber oft mit seinen Kunden in Kontakt. "Viele rufen an und bitten uns, noch eine Gardine aufzuhängen. Doch eigentlich geht es nur um ein Gespräch. Das ist auch okay." Nach spätestens vier Wochen würden sich die meisten aber nicht mehr melden. "Dann wissen wir, dass sie Anschluss gefunden und sich eingelebt haben."
Seit 20 Jahren räumt Stuber Wohnungen vor allem von alten Menschen leer. Dabei hat er in den letzten Jahren einen Wandel der Einstellungen der Senioren beobachtet. "Sie sind selbstbewusster geworden, planen ihren Umzug ins Altersheim eigenständig und sorgen vor." So wollten sie verhindern, dass irgendwann jemand anderes über ihr Schicksal entscheide.
Stuber wird aber auch gerufen, wenn jemand gestorben ist, und die Verwandten die Wohnung leer räumen lassen. Diese Arbeit sei nur dann belastend, wenn der Tod des Bewohners überraschend und vor kurzem gewesen sei. Dann sei die Trauer noch so frisch.
Nicht nur Privatpersonen nehmen Stubers Dienste in Anspruch, auch Firmen melden sich bei ihm. "Das macht am meisten Spaß. Da gibt es keinen psychologischen Aspekt. Da geht es einfach nur um Power", sagt der 47-Jährige und lacht. In diesen Fällen muss er auch nicht zimperlich mit den Möbeln sein. Einziges Ziel ist es, schnell das Gelände leer zu haben. Da rollt Stuber schon einmal mit einem Bagger an und zerlegt alles Mögliche. "Das ist schon brutal", sagt er und grinst wie ein Schuljunge. Die Freude an seinem Beruf ist zu spüren.
Auch 13 Meter lange Jachten hat er schon ausgeschlachtet. Immer wieder erlebt er bei der Arbeit Überraschung. "Von einem Firmengelände haben wir Sperrmüllberge abgetragen", erinnert sich Stuber. Unter einem dieser Berge entdeckte die Männer Ungeahntes: "Das haben wir noch nie erlebt: Unter all dem Schrott waren ein paar alte Autos - allerdings waren die natürlich auch schon kaputt."
Das Unternehmen von Jürgen Stuber
Der Mannheimer Jürgen Stuber organisiert seit 20 Jahren Umzüge, Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen.
Teil seiner Dienstleistung ist auch das fachgerechte Entsorgen von besonderen Abfällen: In Zusammenarbeit mit Fachbetrieben werden Gefahrgüter entsorgt, Holz, Bauschutt und Elektromüll recycelt.
Jeden Donnerstag von 12.30 Uhr verkauft Stuber Möbel und Gebrauchsgegenstände aus den Wohnungsauflösungen auf seinem Firmengelände (Landzungenstr. 9 in Mannheim).
Zudem bietet er eine Wohnberatung an und gibt Tipps, wie altersgerecht gewohnt werden kann.
Möbel lagert Stuber auf dem Gelände seiner Unternehmens auch für längere Zeit ein.
Weitere Informationen unter www.juergenstuber.de. jrau
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