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Vier Jahre Glücksspielstaatsvertrag: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

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© areec1

Die deutsche Glücksspielregulierung verfehlt ihre eigenen Ziele bislang deutlich. Dass sich daran unter der neuen Regierung etwas ändert, ist aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Der Branche bleibt nichts, als dennoch zu hoffen.

Trotz vier Jahren legalem Online-Glücksspiel in Deutschland bleibt die erhoffte Wirkung der Regulierung weitgehend aus. Der Glücksspielstaatsvertrag, 2021 eingeführt, sollte den Schwarzmarkt eindämmen, Spieler zu legalen Angeboten lenken und sowohl den Spielerschutz als auch die Steuereinnahmen stärken. Doch die Realität fällt ernüchternd aus. Die Hoffnung ruht nun auf der neuen Bundesregierung – doch deren Handlungsspielraum ist begrenzt.

Glücksspielstaatsvertrag: Eine ernüchternde Bilanz

Ursprünglich als Meilenstein für eine sichere und kontrollierte Glücksspiellandschaft gedacht, erweist sich der Staatsvertrag bislang als stumpfes Schwert. Nach aktuellen Zahlen von Yield Sec, einem auf illegales Glücksspiel spezialisierten Analyseunternehmen, ist der Schwarzmarkt nicht nur lebendig, sondern expandiert. 2023 waren 1.620 nicht lizenzierte Anbieter in Deutschland aktiv, 2024 stieg die Zahl auf 1.926. Diese Anbieter erreichten 15,8 Millionen Nutzer – rund 20 % der Bevölkerung.

Illegale Anbieter dominieren den Markt

Nach Schätzungen von Yield Sec entfallen rund 54 % des Bruttospielumsatzes in Deutschland auf nicht lizenzierte Betreiber – das entspricht etwa vier Milliarden Euro. Einige Experten gehen sogar von noch höheren Anteilen aus. In der Praxis stoßen deutsche Nutzer fünfmal häufiger auf illegale Plattformen als auf legale, so CEO Ismail Vali. Auch Plattformen wie Casinoservice.org bestätigen diese Entwicklung in ihren turnusmäßigen Berichten immer wieder.

Legale Anbieter kämpfen mit Nachteilen

Lizensierte Unternehmen fühlen sich zunehmend benachteiligt. Die strikten Vorgaben lassen kaum Spielraum für ein attraktives legales Angebot. Viele Anbieter haben ihren Marktstart verzögert oder bieten nur ein sehr eingeschränktes Portfolio an. Grund dafür sind unter anderem langwierige Genehmigungsprozesse, die Einführung neuer Spiele erheblich verzögern. Laut Yield Sec bieten illegale Plattformen im Schnitt über neunmal mehr Produkte an als ihre regulierten Gegenstücke.

Spielerschutz kontra Nutzerkomfort: Ein Teufelskreis

Die Vorgaben des Staatsvertrags gelten vielen als überreguliert: Ein Euro Maximaleinsatz pro Runde, Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat (nur unter Auflagen erhöhbar), eine 5-Sekunden-Regel zwischen Spielrunden, Autoplay-Verbot und verpflichtende Spielpausen alle 60 Minuten. Während diese Maßnahmen dem Spielerschutz dienen sollen, treiben sie viele Nutzer zurück zu den bequemeren, aber unregulierten Angeboten des Schwarzmarkts.

Hürden bei der Kontoeröffnung und Lizenzvergabe

Auch beim Identifikationsprozess hakt es. Die KYC-Vorgaben (Know Your Customer) gelten als hoch: Bereits bei geringen Einzahlungen muss eine Verifizierung erfolgen. Wer mehr als 100 Euro einzahlt, muss die Identitätsprüfung sofort abschließen – ein Punkt, an dem viele Nutzer abspringen. Demgegenüber erlauben illegale Plattformen meist einen unkomplizierten Zugang, oft ohne sofortige Prüfung.

Lizenzen nur für begrenzte Bereiche – Steuer belastet legale Anbieter

Zudem liegt die Lizenzierung von klassischen Online-Casino-Spielen wie Roulette oder Blackjack nicht bei der GGL, sondern bei den Bundesländern – und nur wenige von ihnen haben bisher entsprechende Entscheidungen getroffen. Die Branche kritisiert auch die 5,3% Glücksspielsteuer, die nicht auf Gewinne, sondern auf Einsätze erhoben wird. Dadurch lohnen sich manche Spiele wirtschaftlich kaum, was das legale Angebot weiter schmälert.

Politischer Reformwille bleibt begrenzt

Die Branche setzt große Hoffnungen in die neue Bundesregierung, doch viele Hebel liegen bei den Ländern. Während CDU-/CSU-regierte Bundesländer eine Liberalisierung anstreben, stoßen sie auf Widerstand – etwa aus Bremen, wo Innenminister Ulrich Mäurer weitere Verschärfungen fordert. Immerhin ist das Thema im Koalitionsvertrag adressiert: Auf Seite 92 wird der Kampf gegen illegales Glücksspiel explizit genannt.

Reformvorschläge der Branche

Der Deutsche Online Casino Verband (DOCV) begrüßt das Signal, fordert aber konkrete Reformen. Präsident Dirk Quermann plädiert für die Abschaffung des Einsatzlimits und der 5-Sekunden-Regel, eine Umstellung der Steuer auf Bruttospielerträge sowie effektive Maßnahmen wie IP-Sperren gegen illegale Anbieter. „Nur ein attraktives legales Angebot kann Spiele

Steuermilliarde als Lockmittel für Reformen?

Angesichts klammer öffentlicher Haushalte könnte der Fiskus doch noch ein Interesse an einer Reform entwickeln. Tipico-Manager Christian Heins sieht hier eine Chance: Illegales Glücksspiel sei eine bislang ungenutzte Einnahmequelle – bis zu eine Milliarde Euro jährlich könnten dem Staat zufließen.

GGL will gegen illegale Anbieter aufrüsten

Die GGL jedenfalls hat sich härteres Vorgehen gegen illegale Anbieter auf die Fahnen geschrieben. Das Motto in Halle an der Saale lautet: Wenn schon die Attraktivität des legalen Angebots nicht gesteigert werden kann, sollen die illegalen Früchte möglichst hoch hängen.

Am 13. März 2025 veranstaltete der Dachverband „Die Deutsche Automatenwirtschaft“ in Berlin einen Kongress zu aktuellen Glücksspielthemen. GGL Vorstand Ronald Benter sprach auf einer Podiumsdiskussion über Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels im Internet und führte eine breite Palette an Instrumenten ins Feld.

Im Bereich des IP-Blockings gegen illegale Glücksspielanbieter sei bereits über eine neue Norm diskutiert worden. „Hilfreich wäre es, wenn auch eine neue Norm für IP-Blocking gegen Werbende schnellstmöglich auf den Weg gebracht würde“, erklärte Benter.

Zudem sprach er sich erneut für eine rasche Änderung des §284 StGB aus, der unerlaubtes Glücksspiel unter Strafe stellt. Die GGL fordert eine Ausweitung des Paragraphen auf illegale Anbieter mit Sitz im Ausland. Dies würde die rechtliche Grundlage für die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Halle durch das Land Sachsen-Anhalt schaffen. „Für die wirksame Bekämpfung illegaler Anbieter wäre das ein wichtiges zusätzliches Instrument“, heißt es bei der Behörde.

Benter skizzierte den Kampf gegen illegales Glücksspiel als „langfristigen Prozess“, der „effektive Vollzugsinstrumente und hinreichende rechtliche Rahmenbedingungen zum Beispiel für Strafverfolgungsbehörden“ voraussetze. Gleichzeitig erfordere dieser Kampf eine „enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.“

Im Hinblick auf Erleichterungen für private Betreiber fällt der Behörde dagegen wenig ein. Hier werden nichtssagend „klare und einheitliche Rahmenbedingungen“ angeführt „die den Schutz der Spielenden sicherstellen und für alle erlaubten Anbieter gleichermaßen gelten.“ In diese Aussage lässt sich vieles hineininterpretieren, jedoch kein Entschluss zum Handeln im Sinne einer Aufwertung des legalen Marktes.

Die GGL setzt offenbar auf technische Restriktionen – wohlwissend, dass diese durch Anwender leicht umgangen werden können.

Fazit: Viel Handlungsbedarf, wenig Dynamik

Bewegung in die Glücksspielregulierung könnte nur aus der höchsten Politik kommen. Ob die tatsächlich aktiv wird, bleibt offen. Angesichts anderer dringender Themen besitzt der Glücksspielmarkt für viele Entscheidungsträger wohl kaum Priorität. Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen würden den Stand der Koalition allenfalls marginal verbessern.  Der GGL scheint außer IP-Sperren und einer Gesetzesverschärfung wenig einzufallen. Doch ohne entschlossenes Handeln bleibt die deutsche Regulierung wirkungslos – und der Schwarzmarkt dominiert weiter.

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